Rz. 210

Die berufsrechtlichen Vorgaben zur Mindestversicherungssumme für eine Berufshaftpflichtversicherung von Freiberuflern in unterschiedlichsten Vorschriften des Bundes- und Landesrechts sind aleatorisch und in einer meist nicht nachvollziehbaren Beliebigkeit festgelegt.

 

Rz. 211

Schon seit längerem wird im berufsrechtlichen Schrifttum die wohl überwiegende Auffassung vertreten, dass die Ungleichbehandlung der sozietätsfähigen Berufe und die faktische Verhinderung einer gemeinsamen Berufsausübung von Angehörigen unterschiedlicher Freier Berufe in dem von ihnen favorisierten Organisationsmodell durch nicht abgestimmte berufsrechtliche Vorgaben und kaum erfüllbare Beteiligungsvorgaben verfassungswidrig sei.[165]

 

Rz. 212

In jüngerer Zeit ist – aufgrund des Urteils des Anwaltssenats beim BGH zur Unzulässigkeit einer Anwalts-GmbH & Co. KG[166] – wieder ein "Schwall" von Verfassungsbedenken verzeichnet worden, der sich richtigerweise auf das Berufsrecht beziehen muss.[167]

 

Rz. 213

An diesem Befund ändert sich auch nichts durch die Entscheidung des BVerfG über die Verhältnismäßigkeit der durch § 59j Abs. 2 BRAO für die RA-GmbH vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme von 2,5 Mio. EUR,[168] weil sich das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 22.2.2001 überhaupt nicht mit diesen Konsequenzen befasst und im Übrigen nur mit wenig belastbaren Allgemeinplätzen, die auch im Widerspruch zu früheren Entscheidungen des BVerfG stehen, die gerügten Verfassungsverstöße und die Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde verneint hatte.[169]

 

Rz. 214

Es soll aber an dieser Stelle nicht die Angemessenheit und Verfassungsgemäßheit einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestdeckung von 2,5 Mio. EUR diskutiert werden – wenn sie es vielleicht nicht Anfang des Jahres 2001 war, so ist diese Einschätzung nicht nur nach den praktischen Erfahrungen jedenfalls mehr als ein Jahrzehnt später sicherlich überholt und das Judikat des BVerfG vom 22.2.2001 hinzunehmen.[170]

 

Rz. 215

Dass den getroffenen Neuregelungen nicht nur aufgrund der schon im Gesetzgebungsverfahren gerügten Schaffung eines Sonderrechts für einige wenige Freie Berufe nach Art. 3 Abs. 1 GG das Stigma der Verfassungswidrigkeit anhaftet, untermauert auch der Beschluss des BGH vom 16.5.2013,[171] in dem die gesetzlichen Vorgaben für die gemeinsame Berufsausübung von Anwälten mit den Angehörigen anderer Freier Berufe als unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG bezeichnet und die Frage, ob § 59a Abs. 1 BRAO daher mit den vorbenannten Grundrechten vereinbar ist, vom BVerfG mit Beschl. v. 12.1.2016 jedenfalls für Kooperationen Anwälten mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft verneint wurde.[172]

 

Rz. 216

Denn das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht, sich beruflich in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen, die durch Unterhaltung einer zu diesem Zweck bestehenden Versicherung qua Rechtsform eine Haftungsbeschränkung bei Berufsausübungsfehlern bietet, wird nicht nur für die vom Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom 15.7.2013 unberücksichtigt gelassenen Berufsgruppenangehörigen beschränkt. Gleichermaßen ist es bspw. auch Anwälten mangels einer mit § 51a BRAO vergleichbaren Regelung für Angehörige der Heilberufe verwehrt, mit Ärzten oder Apothekern in einer Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung zusammenzuarbeiten.[173]

 

Rz. 217

Nachdem der BGH in seiner Entscheidung vom 16.5.2013 auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG konstatiert hat, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz nach der Rechtsprechung des BVerfG sowohl "für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen" gilt und auch einen "gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird“,[174] verbietet, haftet entsprechend auch dem Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung nur des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom 15.7.2013 ein grundrechtswidriges Gepräge an."

 

Rz. 218

Dadurch, dass der Gesetzgeber nur für die durch das Gesetz vom 15.7.2013 betroffenen Gesellschaften die Möglichkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit in einer Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung schafft und alle anderen Angehörigen der Freien Berufe diese Rechtsform nicht zur Verfügung stellt, verstößt § 8 Abs. 4 PartGG gegen die Berufsfreiheit der Angehörigen der Freien Berufe, gegen die Vereinigungsfreiheit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, obwohl der Gesetzgeber selbst "die Geltung gleicher rechtlicher Bedingungen für wirtschaftliche Betätigung"“ und die Vermeidung ungleicher Bedingungen gerade auch im Interesse des Rechtsverkehrs, der eine "standardisier...

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