Rz. 1

Bei der Aktiv- und Passivlegitimation rühren Regressfälle häufig aus einem nur allzu oberflächlichen Umgang mit Sachverhaltsinformationen. Ein Paradebeispiel sind unkorrekt wiedergegebene Firmierungen etwa bei Unternehmen aus einem Konzerngeflecht, die zwar ähnlich lauten und klingen, aber doch ganz unterschiedliche Rechtsgebilde bezeichnen. Für ein weiteres griffiges Beispiel kann auf das Anwaltshaftungsrecht selbst verwiesen werden, wo Scheinsozietäten und Scheinsozien immer wieder eine Rolle spielen und vor Gerichten haftbar gemacht werden.

 

Rz. 2

Indes: Echte Scheinsozietäten, bei denen eine Zusammenarbeit mehrerer Personen ohne jede gesellschaftsrechtliche Verbundenheit vorliegt, sind ein rechtliches Nullum,[1] das nicht in Anspruch genommen werden kann. Wird eine Scheinsozietät verklagt, sollte einer eventuell fehlerhaften Titulierung von Ansprüchen gegen sie vorgebeugt werden. Ist dafür die Einschaltung anwaltlicher Hilfe notwendig, sind die dafür aufgewendeten Kosten vom Verfahrensgegner, der zu Unrecht die Scheinsozietät in Anspruch genommen hat, aber zu erstatten.

 

Rz. 3

 

Praxistipp

Wird also bei der Beurteilung von Aktiv- und Passivlegitimation unsorgfältig gearbeitet, ist schnell ein Schaden entstanden, weil eine nicht anspruchsberechtigte bzw. nicht leistungsverpflichtete Person Partei eines Rechtsstreits geworden ist, die den Prozess mit einem entsprechenden Kostenschaden auf jeden Fall verlieren wird. Daneben kann es auch passieren, dass durch die Prozessvertretung einer falschen Partei Ansprüche der richtigen Partei bspw. durch Verjährung untergehen. Hier ist es dann aber ratsam, den als Vertreter einer vermeintlichen Gesellschaft Auftretenden unter Veranlassergesichtspunkten in Haftung zu nehmen.[2]

 

Rz. 4

Probleme können sich dabei zudem in Fällen der Abtretung ergeben, entweder weil keine wirksame Abtretung vereinbart wurde und der mutmaßliche Zessionar gar nicht Anspruchsinhaber wurde oder weil die Zession unbemerkt bzw. automatisch erfolgt ist. Praktisch häufig ist der Anspruchsübergang nach § 86 VVG infolge der Leistung eines Versicherers, sodass der ursprünglich geschädigte Mandant nach Schadenskompensation seines Versicherers überhaupt nicht mehr gegen den Schädiger vorgehen kann.

 

Rz. 5

Vor einem Prozess ist daher eine Rückabtretung oder zumindest eine Einziehungsermächtigung mit dem Versicherer zu vereinbaren. Daneben hat die cessio legis nach § 86 VVG – so der BGH –

Zitat

"auf den Prozess keinen Einfluss, § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der bisherige Anspruchsinhaber führt den Prozeß [...] weiter (allerdings muß er den Klageantrag in der Regel an die veränderte materielle Rechtslage anpassen, wenn ihm nicht im Einzelfall eine Einziehungsermächtigung erteilt ist)".[3]

 

Rz. 6

 

Praxistipp

Praktisch relevante Fälle, in denen die Vorschrift des § 86 VVG zu berücksichtigen ist, sind etwa Verkehrsunfälle, wo ein Kaskoversicherer zunächst dem geschädigten Mandanten die Reparaturkosten zahlt, Rechtsschutzfälle, bei denen Kostenschäden vom Mandanten nach erfolgter Regulierung durch den Rechtsschutzversicherer verfolgt werden oder Regulierungsleistungen der Eigenschadenversicherungen wie die Feuerversicherung, nachdem der Brandstifter ausfindig gemacht wurde. Hier muss dann auf eine Rückabtretung oder Einziehungsermächtigung hingewirkt werden.

 

Rz. 7

Problematisch können sich Aktiv- und Passivlegitimation auch bei der Beteiligung von Parteien kraft Amtes oder bei der Beteiligung von mehreren Personen erweisen. So ist bei Prozessen etwa wegen einer persönlichen Haftung von Insolvenzverwaltern nach §§ 60, 61 InsO zweifelhaft, ob die gegen "XY als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin" – und damit gegen die Insolvenzmasse – geführte Klage verjährungshemmend in Bezug auf den richtig nur als "XY" zu bezeichnenden Beklagten wirkt und der Fehler im Wege bloßer Rubrumsberichtigung ausgemerzt werden kann.

 

Rz. 8

Das hessische Landesarbeitsgericht hat dies in einer Entscheidung vom 30.1.2006 mit folgenden Erwägungen verneint:

Zitat

"Eine persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) kann der Kläger mit der bisherigen Fassung des Rubrums des Beklagten zu 1) nicht erreichen. Solange dieser “als Insolvenzverwalter‘ über das Vermögen der Schuldnerin verklagt wird, richtet sich die Klage gegen die Masse und nicht gegen den Insolvenzverwalter persönlich. Auch wenn der Kläger insoweit die Klage auf zulässige Weise gegen den Beklagten zu 1) persönlich ändern sollte, wird sie offensichtlich aussichtslos bleiben."[4]

 

Rz. 9

Bei Prozessen, an denen BGB-Gesellschaften und "einfache" Partnerschaftsgesellschaften beteiligt sind, sollte überlegt werden, ob man neben der Gesellschaft auch jeden einzelnen Gesellschafter in die Haftung nimmt, weil es möglich ist, dass jeder Gesellschafter einen eigenen Anwalt beauftragt und im Fall des Obsiegens jede dieser Partei einen gesonderten Kostenerstattungsanspruch hat.[5]

 

Rz. 10

Ein besonderes Medienecho erfuhr diese Problematik im Zusammenhang mit dem sog. Wehrhahn-Prozess...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge