Rz. 111

Ein Anwalt, der die Vertretung eines Arbeitnehmers in einem Arbeitsgerichtsprozess übernimmt, beachtet nur dann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn er die veröffentlichte höchstrichterliche Rechtsprechung, vornehmlich die in der Entscheidungssammlung des Bundesarbeitsgerichts abgedruckten Urteile, berücksichtigt.[91] Auch hat der Anwalt die Unterschiede zum "normalen" Zivilprozess zu beachten. Neben unterschiedlichen Fristen hat er vor allem auf die Nichterstattungsfähigkeit seiner Kosten in erster Instanz gem. § 12a Abs. 1 ArbGG hinzuweisen[92] (siehe Rdn 622).

 

Rz. 112

In taktischer Hinsicht kann es empfehlenswert sein, Mandanten in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zur Mäßigung anzuhalten, etwa den Arbeitgeber zum Angebot auf ein Prozessarbeitsverhältnis zur Vermeidung von Verzugslohnansprüchen nach § 615 BGB ohne Gegenleistung des Arbeitnehmers oder zu der mit der vorbehaltlosen Zusage einer Urlaubsvergütungszahlung verbundenen Anweisung an den Arbeitnehmer, Resturlaub zu nehmen, aufzufordern.[93]

 

Rz. 113

Dienstverträge mit leitenden Angestellten im Vertrieb oder mit Geschäftsführern enthalten nicht selten nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen. Diese werden standardmäßig in die Verträge mit aufgenommen und sehen mit Rücksicht auf § 74 Abs. 2 HGB eine Entschädigung für jedes Jahr des Verbots in Höhe von mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen vor. Dieser Verpflichtung kann sich der Arbeitgeber durch Verzicht auf das Wettbewerbsverbot teilweise entziehen. Dazu muss dieser Verzicht nach § 75a HGB jedoch unbedingt vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgesprochen werden; der Arbeitgeber ist dann nämlich nur noch zu einer Karenzentschädigung für die Zeit von einem Jahr seit Abgabe der Erklärung verpflichtet.

 

Rz. 114

 

Praxistipp

Chab berichtet davon, dass diese Punkte im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder einvernehmlichen Vertragsauflösung allzu häufig vergessen werden und empfiehlt daher Anwälten, explizit danach zu fragen, ob der Arbeitgeber an einer Wettbewerbsbeschränkung Interesse hat oder nicht. Wird die Nachfrage unterlassen und hätte eine Karenzentschädigung weitgehend vermieden werden können, ist ein entsprechender Schadenersatzanspruch wahrscheinlich.[94]

[92] Hierzu auch: Ostermeier, NJW 2008, 551.
[93] LG Düsseldorf, Urt. v. 5.9.2013 – 11 O 389/12 – Rn 11 und 53 ff., juris = AE 2014, 305 Vollkommer/Greger/Heinemann, § 28 Rn 69.
[94] Vgl. Chab, AnwBl 2009, 139, 140 f.

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