Rz. 39

Über den Wortlaut hinaus ist § 14 Abs. 2 RVG auch dann anzuwenden, wenn es sich bei der anzurechnenden Gebühr nicht um eine Rahmengebühr handelt. Dass auch ein solcher Fall vorkommen kann, hat der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht.

 

Rz. 40

 

Beispiel:

Der Anwalt wird vom Rechtsuchenden im Rahmen der Beratungshilfe in einer sozialrechtlichen Angelegenheit beauftragt, gegen den Bescheid der Sozialbehörde Widerspruch einzulegen. Nach Erhalt des Widerspruchsbescheids wird er beauftragt, Anfechtungsklage zum Sozialgericht zu erheben.

Im Widerspruchsverfahren hat der Anwalt die Festgebühr der Nr. 2503 VV RVG i.H.v. 93,50 EUR verdient. Diese Gebühr ist nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV RVG hälftig (46,75 EUR) auf die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV RVG anzurechnen. Obwohl es sich bei der anzurechnenden Gebühr nicht um eine Rahmengebühr handelt, darf auch hier selbstverständlich bei der Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 RVG hinsichtlich der Verfahrensgebühr die Vorbefassung in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 RVG nicht berücksichtigt werden.

I. Widerspruchsverfahren

 
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG   93,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   18,70 EUR
  Zwischensumme 112,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   21,32 EUR
  Gesamt   133,53 EUR

II. Verfahren vor dem Sozialgericht

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   360,00 EUR
2. gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV RVG anzurechnen   -46,75 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG   335,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 668,25 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   120,97 EUR
  Gesamt   795,22 EUR
 

Rz. 41

Entsprechendes muss bei einer vorangegangenen Beratung gelten. Zwar erhält der Anwalt hier keine Rahmengebühr, sondern entweder eine vereinbarte Gebühr (§ 34 Abs. 1 S. 1 RVG) oder gem. § 34 Abs. 1 S. 2 RVG eine Gebühr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Bei der Bemessung des Gebührensatzes oder des Gebührenbetrags einer nachfolgenden Tätigkeit darf auch jetzt in analoger Anwendung des § 14 Abs. 2 RVG die Vorbefassung in der Beratung nicht berücksichtigt werden, da auch dies eine unzulässige Doppelverwertung beinhalten würde.

 

Rz. 42

 

Beispiel:

Der Anwalt hat den Mandanten in einer sozialrechtlichen Angelegenheit zunächst beraten und dafür er eine Erstberatungsgebühr nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer erhalten. Später erteilt der Mandant den Auftrag zur Anfechtungsklage.

Für die Beratung ist folgende Vergütung angefallen.

I. Beratung

 
1. Erstberatung, § 34 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. §§ 670, 675 BGB   190,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 210,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   39,90 EUR
  Gesamt   249,90 EUR

Im gerichtlichen Verfahren erhält der Anwalt jetzt die Gebühr der Nr. 3102 VV RVG. Die Höhe der Gebühr darf jetzt nicht wegen der vorangegangenen Beratung reduziert werden. Die Vorbefassung ist alleine durch die Anrechnung der Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen. Geht man davon aus, dass ohne vorherige Beratung eine Mittelgebühr angemessen gewesen wäre, ist wie folgt zu rechnen:

II. Verfahren vor dem Sozialgericht

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   360,00 EUR
2. gem. § 34 Abs. 2 RVG anzurechnen   – 190,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG   444,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 525,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   99,75 EUR
  Gesamt   624,75 EUR

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