Rz. 382

Nach Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134 und 4135 VV RVG erhält der Pflichtverteidiger in Strafsachen für die Teilnahme an Hauptverhandlungsterminen mit einer Dauer von mehr als fünf bis acht Stunden sowie bei mehr als acht Stunden eine zusätzliche Gebühr zur jeweiligen Terminsgebühr (sogen. Längenzuschlag).

 

Rz. 383

In der Rspr. ist insoweit heftig umstritten, ob und wie Wartezeiten und oder (längere) Pausen oder Unterbrechungen bei der Ermittlung der für die Gewährung eines Zuschlags zur Terminsgebühr für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt maßgeblichen Zeit zu berücksichtigen sind.[62]

 

Rz. 384

Die weit überwiegende Meinung ging davon aus, dass es für den Beginn der Hauptverhandlung nicht auf deren tatsächlichen, unter Umständen verzögerten Beginn ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem der Rechtsanwalt geladen und tatsächlich erschienen ist.[63] Dies wird mit der Neuregelung jetzt gesetzlich verankert. Insoweit weist der Gesetzgeber in seiner Begründung zutreffend darauf hin, dass die Berücksichtigung von Wartezeiten, der Rechtsanwalt nicht zu vertreten haben, schon deshalb folgerichtig ist, weil nach Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG die Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt zu einem anberaumten Termin erscheint, der Termin aber aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht stattfindet.

 

Rz. 385

Ob Unterbrechungen (Sitzungspausen) abzuziehen sind, ist dagegen weniger einheitlich beantwortet worden.[64] Hier war eine teilweise geradezu kleinliche Rechtsprechung zu beobachten, die in der Frage gipfelte, ob die Verlängerung der Mittagspause um 15 Minuten wegen eines angebrannten Schnitzels des Sachverständigen (Cordon bleu) beim Längenzuschlag zu berücksichtigen sei.[65]

 

Rz. 386

Um diese Streitigkeiten hinsichtlich des Längenzuschlags zu beseitigen, ist in Vorbem. 4.1 VV RVG ein neuer Abs. 3 eingefügt worden, der die Voraussetzungen des Längenzuschlags präzisieren und kleinlichen Streit vermeiden soll. Danach sollen künftig grundsätzlich alle Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen sein. Ausnahmen sollen nur für Wartezeiten und Unterbrechungen gelten,

die der Rechtsanwalt zu vertreten hat,
die jeweils mindestens eine Stunde umfassen, soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden.
 

Rz. 387

Die Neufassung enthält damit eine generalisierende Regelung, die eine einfache Feststellung ermöglichen soll, ob der Tatbestand erfüllt ist.

 

Rz. 388

 

Beispiel:

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.35 Uhr dauernde Hauptverhandlung siebenmal für jeweils ca. 10 Minuten. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.[66]

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechungen bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen sind. Insgesamt ist der Termin zwar mehr als eine Stunde unterbrochen worden. Nach dem geplanten Wortlaut ("jeweils mehr als eine Stunde") kommt es aber jeweils auf die Dauer der einzelnen Unterbrechung und nicht auf die Gesamtdauer der Unterbrechungen an.

 

Rz. 389

 

Beispiel:

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.35 Uhr dauernde Hauptverhandlung für eine Mittagspause, die im Ergebnis 75 Minuten dauert. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.[67]

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechung bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen ist. Zwar ist der Termin mehr als eine Stunde unterbrochen worden, allerdings hat das Gericht keine konkrete Dauer der Unterbrechung angegeben oder einen Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet. Die Nichtberücksichtigung einer mehr als einstündigen Unterbrechung soll dann nicht erfolgen, wenn der oder die Vorsitzende die Hauptverhandlung für unbestimmte Zeit – etwa für eine Beratungspause – unterbricht.

 

Rz. 390

 

Beispiel:

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.05 Uhr dauernde Hauptverhandlung für eine Mittagspause, deren Dauer das Gericht mit 30 Minuten bestimmt. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.[68]

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechung bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen ist. Es handelte sich um eine Unterbrechung von weniger als einer Stunde.

 

Rz. 391

 

Beispiel:

Das Gericht unterbricht die Hauptverhandlung für eine Mittagspause, deren Dauer das Gericht mit 90 Minuten bestimmt. Der Termin wird aber aus vom Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen (z.B. Verspätung des Gerichts) erst nach 120 Minuten fortgesetzt.[69]

Es sind lediglich 90 Minuten bei der Berechnung der Terminsgebühr unberücksichtigt zu lassen. Die darüber hinausgehenden 30 Minuten fließen in die Berechnung der Terminsdauer ein.

 

Rz. 392

 

Beispiel:

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.05 Uhr dauernde Hauptverhandlung für 15 Minuten, weil der Rechtsanwalt eine Besprechung mit seinem Mandanten durchführen möchte.[70]

Der Längenzuschlag soll nach dem Regierungsent...

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