Rz. 161

In § 15a Abs. 2 RVG hat der Gesetzgeber eine klare Anrechnungsregelung eingeführt. Anlass war die Streitfrage, wie auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen ist, wenn der Anwalt bereits Wahlanwaltsgebühren erhalten hatte.

 

Rz. 162

Hauptanwendungsfall war die Anrechnung einer Geschäftsgebühr.

 

Rz. 163

 

Beispiel:

Der Anwalt war außergerichtlich nach einem Gegenstandswert von 6.000 EUR für den Mandanten tätig. Hiernach kommt es zum Rechtsstreit, in dem der Anwalt seinem Mandanten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet wird. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil. Vorgerichtlich hatte der Anwalt mit dem Mandanten wie folgt abgerechnet (alte Gebührenbeträge):

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000,00 EUR)   460,20 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 480,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   91,24 EUR
  Gesamt   571,44 EUR
 

Rz. 164

Zum Teil wurde vertreten, dass die erhaltene Geschäftsgebühr in vollem Umfang hälftig anzurechnen sei. Dies ergab dann im gerichtlichen Verfahren folgende Berechnung:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000,00 EUR)   347,10 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 6.000,00 EUR   – 230,10 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (6.000,00 EUR)   320,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 457,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   86,93 EUR
  Gesamt   544,43 EUR
 

Rz. 165

Nach anderer Auffassung war die hälftige Geschäftsgebühr zunächst auf die Differenz zwischen den Wahlanwaltsgebühren und den gesamten PKH-Gebühren anzurechnen.

 

Rz. 166

Danach war zunächst die Differenz zwischen den gesamten Wahlanwaltsgebühren und den Pflichtanwaltsgebühren zu berechnen. Das ergab folgenden Differenzbetrag:

 
  1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000,00 EUR) 460,20 EUR
./. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, 49 RVG (Wert: 6.000,00 EUR) – 347,10 EUR
  1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (6.000,00 EUR) 424,80 EUR
./. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (6.000,00 EUR) – 320,40 EUR
  Differenz 217,50 EUR
 

Rz. 167

Hiernach war dann der Differenzbetrag als Anrechnungs-Freibetrag zu berücksichtigen. Dies ergab dann folgende Gesamtabrechnung:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 6.000,00 EUR)   314,70 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 13 RVG anzurechnen 0,65 aus 6.000,00 EUR – 231,10 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 RVG anrechnungsfrei 217,50 EUR  
      – 13,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 6.000,00 EUR)   320,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 457,40 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   86,91 EUR
  Gesamt   544,31 EUR
 

Rz. 168

Nach neuem Recht ist ein Mittelweg zu gehen. Der neue § 58 Abs. 2 S. 2 RVG stellt Folgendes klar: Ist eine Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse insoweit, als der Rechtsanwalt insgesamt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.

 

Rz. 169

Vereinfacht ausgedrückt: Die Differenz zwischen dem jeweiligen Gebührenbetrag der Verfahrensgebühr aus § 13 RVG und dem aus § 49 RVG bleibt anrechnungsfrei.

 

Rz. 170

Die Begründung des Gesetzgebers ist insoweit allerdings missverständlich ist, als nach der vorgeschlagenen Regelung die Anrechnung einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung nur dann in Betracht kommen soll, "wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem insgesamt nach § 49 RVG bestehenden Anspruch völlig beglichen ist". Daraus ließe sich herleiten, dass der an sich anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr auch hinsichtlich der Differenz zwischen einer Wahlanwaltsterminsgebühr und eventuellen -einigungsgebühr zu den jeweiligen Pflichtgebühren ebenfalls anrechnungsfrei sein soll. Aus der ausdrücklichen Erwähnung des § 15a Abs. 1 RVG und dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass nur die Differenz der Wahlanwaltsverfahrensgebühr zur entsprechenden Pflichtgebühr anrechnungsfrei sein soll. Eine weitergehende Auslegung würde auch der Systematik des RVG widersprechen.

 

Rz. 171

Nach neuem Recht ergibt sich im Beispiel damit folgende Berechnung:

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert 6.000,00 EUR)   507,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 527,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   100,13 EUR
  Gesamt   627,13 EUR

II. Gerichtliches Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert 6.000,00 EUR)   383,50 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, § 13 RVG anzurechnen, 0,65 aus 6.000,00 EUR – 253,50 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 S. 2 RVG anrechnungsfrei (507,...

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