Rz. 214

Die Bewertungskriterien für den Wert einer Ehe- oder Lebenspartnerschaftssache sind:

Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere
des Umfangs und
der Bedeutung der Sache für die Ehegatten
der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten
nach Ermessen zu bestimmen.
 

Rz. 215

§ 43 Abs. 1 u. 2 FamGKG weisen mehrere Kriterien aus, die gleichberechtigt nebeneinander stehen (es fehlt "insbesondere"). In der Praxis ist jedoch zu beobachten, dass die Gerichte oft allein von den Einkommensverhältnissen und bei diesen dann allein von dem dreifachen Nettoeinkommen vor Antragstellung ausgehen. Zu der Frage wie die Bewertung der Ehesache vorzunehmen ist, hat die Rechtsprechung zahlreiche Entscheidungen hervorgebracht. Umso erstaunlicher ist dabei, dass einige Gerichte – abhängig von der Region – sich mit der im Gesetz geregelten Wertbemessung und der dazu ergangenen umfangreichen Rechtsprechung überhaupt nicht auseinandersetzen, was dazu führt, dass die Werte für Ehe- und Lebenspartnerschaftssache häufig zu niedrig festgesetzt werden. Gerichte haben gem. § 55 Abs. 1 FamGKG den Verfahrenswert für die Berechnung der Gerichtsgebühren festzusetzen und diesen daher auch von Amts wegen korrekt zu ermitteln und nach dem Vermögen der beteiligten Eheleute zu fragen; ggfs. sogar ein Sachverständigengutachten zur Höhe des Wertes einzuholen, § 56 FamGKG. Damit ist die Wertfestsetzung in erster Linie für die Gerichtsgebühren – und die Staatskasse – korrekt vorzunehmen. Dass die Wertfestsetzung dann über § 32 Abs. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren gilt, ist zunächst zweitrangig. Gerade in VKH-Verfahren ist auffällig, wie häufig Gerichte einen zu niedrigen Wert festsetzen. Sofern die Beteiligten selbst für die Verfahrenskosten aufkommen, lässt sich oft eine – auch im Sinne der Anwaltschaft – gerechtere Wertfestsetzung in der Praxis beobachten. Doch die Fälle der nachträglichen Aufhebung einer Verfahrenskostenhilfe oder auch Anordnung von Raten- oder Einmalzahlungen ist aufgrund der inzwischen doch bundesweit stark gestiegenen Überprüfungsverfahren heute wahrscheinlicher als jemals zuvor. Bevor sich der Bezirksrevisor dann wundert, warum so wenig Gerichtskosten eingefordert werden können, ist grundsätzlich – unabhängig von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe – auf eine möglichst korrekte Wertfestsetzung zu achten. Zugegeben, die Komplexität von Familiensachen und der Gesetzgeber machen es einen hier nicht immer leicht.

 

Rz. 216

Soweit in § 43 FamGKG auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten abgestellt wird, gilt § 34 FamGKG, der für den Zeitpunkt der Wertberechnung auf die Antragseinreichung abstellt. Damit ist klar, dass das dreifache Nettoeinkommen der beiden Ehegatten vor Antragseinreichung eine Rolle spielt. Spätere Einkommensschwankungen bleiben dabei unberücksichtigt.[140]

 

Rz. 217

Andere Kriterien des § 43 FamGKG, wie beispielsweise der Umfang der Sache, können erst am Ende des Verfahrens festgestellt werden. Insofern ist auch der im Scheidungsantrag angegebene Verfahrenswert für die Ehesache zunächst vorläufig.

 

Rz. 218

 

Praxistipp

Legen Sie dem Gericht bereits im Scheidungsantrag Ihre Berechnung des richtigen Verfahrenswerts dar. Es ist Aufgabe des Anwalts, den von ihm vorläufig ermittelten Verfahrenswert zu erklären. Keinesfalls sollte, um den Mandanten – vorübergehend – mit nur geringen Gerichtskosten zu belasten, vom Mindestwert ausgegangen werden, denn die Frage nach dem Verfahrenswert im Scheidungstermin ist nicht nur gegenüber dem anwesenden Mandanten peinlich, sondern kommt darüber hinaus auch oft zu spät.

[140] OLG Dresden JurBüro 2003, 140; OLG Koblenz JurBüro 2003, 474 = FamRZ 2003, 1681; Binz/Dörndorfer, GKG/FamGKG/JVG, 3. Aufl. 2014, § 43 Rn 2.

a) Umstände des Einzelfalls

 

Rz. 219

Unter die Umstände des Einzelfalls fallen alle Kriterien, die in den übrigen Kriterien nicht eingeordnet werden können. Die Abgrenzung ist zum Teil schwierig, da manche Kriterien sowohl in den einen als auch den anderen Bereich fallen können.

b) Umfang

 

Rz. 220

Mit "Umfang der Sache" ist der Zeitaufwand gemeint, der im jeweiligen Verfahren berücksichtigt werden muss. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass die Bewertung für das Gericht eine völlig andere sein kann als für den Anwalt; da der Wert aber für die Gerichtsgebühren festgesetzt wird und dieser dann auch für den Anwalt gilt, § 32 Abs. 1 RVG, kann auch der zeitliche Bearbeitungsaufwand für den Anwalt bei der Wertbemessung eine Rolle spielen. Eine Berücksichtigung des Umfangs erfolgt dann, wenn er aus dem Rahmen dessen fällt, was in vergleichbaren Fällen üblich ist.

 

Rz. 221

Für eine besonders aufwendige Ehesache kann ein prozentualer Zuschlag in Frage kommen, wobei aber auch hier eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist.[141]

Es besteht jedoch definitiv kein Grund für eine Absenkung des Werts bei einvernehmlicher Scheidung.[142] Die einvernehmliche Scheidung ist der "Normalfall" und wird es aufgrund der mit dem FamFG herabgesetzten Anforderungen an die Vermutung einer Ze...

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