Rz. 312

Bei einer Kapitalabfindung, bei der sich der Unterhaltsverpflichtete dazu bereit erklärt, anstelle des gesetzlichen Unterhalts eine konkrete Abfindung zu zahlen, ist der Abfindungsanspruch und nicht der Abfindungsgegenstand maßgebend, wenn zunächst nur der laufende Unterhalt beantragt wird.

Dies hat zur Folge, dass der Gegenstandswert durch den Jahresbetrag der gesetzlich geregelten Unterhaltsansprüche bestimmt wird.[285]

Zu beachten ist jedoch, dass nach § 1585 Abs. 2 BGB eine Kapitalabfindung des Unterhaltsanspruchs geltend gemacht werden kann. Wird nicht laufender Unterhalt geltend gemacht und anschließend eine Kapitalabfindung vereinbart, sondern vielmehr von vornherein der gesetzlich geregelte Kapitalabfindungsanspruch geltend gemacht, so ist dieser auch als Gegenstandswert zugrunde zu legen.[286]

 

Rz. 313

Strittig ist, wie die Bewertung zu erfolgen hat, wenn laufender Unterhalt gerichtlich geltend gemacht ist und man – ohne den Antrag auf Zahlung eines Kapitalbetrags (§ 1585 Abs. 2 BGB) umzustellen – eine Kapitalabfindung vereinbart. Der alte Grundsatz "Streitwert des Vergleichs ist der Betrag, über den man sich vergleicht und nicht der, auf den man sich vergleicht" ist bei der Bewertungsfrage auch in diesen Fällen heranzuziehen. Dabei stellt die herrschende Meinung darauf ab, ob eine Umstellung des Antrags von laufendem Unterhalt hin zu einem Unterhaltsabfindungsbetrag erfolgt ist.[287] Denn im Falle des Scheiterns von Vergleichsverhandlungen wird gerichtlich der geltend gemachte laufende Unterhaltsanspruch verfolgt. Kindermann nimmt zu dieser Problematik umfassend Stellung. Sie hält die Argumentation für zu kurzsichtig, da bei einer Einigung in der Praxis der Antragsteller kaum noch an eine Umstellung seines Antrags denke, auch, um nicht unnötig Gerichtskosten zu produzieren. In ihrer Argumentation stützt sich Kindermann auch auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt, das bei derartigen Vergleichen eine Einigung über ein anderes Schuldverhältnis sieht, zumal ein solcher Vergleich mit einem Abänderungsantrag nicht mehr angefochten werden könnte.[288] Folgt man der nachvollziehbaren Argumentation des OLG Frankfurt, dass die Beteiligten eine Einigung über ein anderes Schuldverhältnis getroffen haben, müsste jedoch konsequenterweise gebührenrechtlich eine Einigung über nicht rechtshängige Ansprüche angenommen werden mit der Folge, dass die Abfindung als nicht-rechtshängiger Anspruch (Mehrvergleich über den Abfindungsbetrag) abgerechnet wird. Zwar schließen sich die rechtshängigen Ansprüche (laufender Unterhalt) und die nicht rechtshängigen (Abfindung) gegenseitig aus. Aber wie bei Trennungs- und nachehelichem Unterhalt handelt es sich um verschiedene Anspruchsgrundlagen. Sofern daher der Antrag auf Zahlung des laufenden Unterhalts für den Fall der Einigung über den Abfindungsbetrag zurückgenommen wird, könnte der Abfindungsbetrag als nicht rechtshängiger Anspruch (1. Instanz: 0,8 Differenzverfahrensgebühr; 1,5 Einigungsgebühr jeweils unter Beachtung von § 15 Abs. 3 RVG) in die Abrechnung einbezogen werden. Die Rücknahme des Antrags betreffend den Unterhalt würde darüber hinaus (wie eine Einigung) zu einer Gerichtskostenreduzierung führen. Um späterem Streit vorzubeugen sollte aus der Vereinbarung unmissverständlich hervorgehen, dass die Kapitalabfindung nach § 1585 Abs. 2 BGB gemeint ist.

 

Rz. 314

 

Praxistipp

Zur Vermeidung von Streitigkeiten muss der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung empfohlen werden.

 

Rz. 315

Ist der Kapitalabfindungsbetrag Grundlage des Verfahrenswerts, so ist der höchste geforderte Betrag bei der Berechnung heranzuziehen. Kann ein solcher Höchstbetrag nicht ermittelt werden, richtet sich der Wert nach dem vereinbarten Kapitalabfindungsbetrag, mindestens aber nach dem Jahresbetrag des laufenden Unterhalts.[289]

Zu beachten ist, dass bei VKH-Mandanten bei einer derartigen Kapitalabfindung möglicherweise mit einer Rückforderung der Staatskasse nach § 120 Abs. 4 ZPO gerechnet werden muss. Die hierzu ergangene Rechtsprechung berücksichtigt den Zweck der Kapitalabfindung, das notwendige Bestreiten des laufenden Unterhalts über unter Umständen einen langen Zeitraum.[290]

[285] H.M. OLG Bamberg JurBüro 1992, 51; OLG München JurBüro 2001, 141 (Rente); OLG Düsseldorf JurBüro 1992, 51; OLG Hamburg FamRZ 1987, 184; Göttlich/Mümmler, RVG, Unterhaltsvergleich, Ziff. 1.6; Mayer/Kroiß, Anhang IV Rn 124; OLG Frankfurt/Main Rpfleger 1971, 116; a.A. OLG Frankfurt JurBüro 1980, 1215 = Rpfleger 1980, 239, das den verlangten Abfindungsbetrag als Streitwert ansetzt. fällige Beträge werden diesem Betrag hinzugerechnet (§ 42 Abs. 1, 5 GKG).
[286] OLG Frankfurt JurBüro 1980, 1215 Fn 60 = Rpfleger 1980, 239; Kindermann, Rn 143; Mayer/Kroiß, Anhang IV Rn 124.
[287] Madert/Müller-Rabe, B. Rn 72.
[288] Kindermann, Rn 146; OLG Frankfurt JurBüro 1980, 1215 = RPfleger 1980, 239.
[289] Kindermann, Rn 149.
[290] Kindermann, Rn 149 m.w.N.

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