Rz. 24

Von der Rechtsprechung wird nicht nur verlangt, dass eine Rechtsanwaltskanzlei einen Fristenkalender führt. Vielmehr hat der BGH genaue Vorgaben entwickelt, an denen sich eine Rechtsanwaltskanzlei zu orientieren hat, will sie sich nicht dem Vorwurf der schuldhaften Fristversäumung aussetzen, der ihr eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall einer Fristversäumung unmöglich macht, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 233 ff. ZPO. Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren entsprechend der neuen technischen Möglichkeiten rasch weiterentwickelt. Der BGH fordert neben der Führung eines elektronischen Kalenders keine zusätzliche Führung eines Fristenkalenders in Papierform. Der Anwalt darf also die Fristen allein im elektronischen Kalender notieren.

 

Rz. 25

Der Rechtsanwalt hat jedoch bei der alleinigen Führung eines Kalenders in elektronischer Form wichtige Vorgaben einzuhalten. So hat der BGH in zwei Entscheidungen festgehalten, dass den Anwalt dann ein Organisationsverschulden trifft, wenn er einen elektronischen Fristenkalender verwendet, der versehentlich als erledigt abgehakte Fristen im täglichen Wiedervorlagenkalender gar nicht mehr erscheinen lässt, da so dem Mitarbeiter jede Möglichkeit genommen ist, sich vielleicht zu erinnern, dass die Frist doch noch nicht erledigt ist. Bei einem Computerabsturz/EDV-Störfall ist der herbeigerufene Fachmann anzuweisen, dass er zuallererst versuchen muss, die verloren gegangenen Daten zu den Fristen wiederherzustellen. Außerdem ist für jede eingetragene Frist ein Fristenzettel auszudrucken. Das gilt, so der BGH in einer sehr aktuellen Entscheidung, auch in Zeiten der Digitalisierung und des Elektronischen Rechtsverkehrs.[8]

 

Rz. 26

Ist eine EDV-Störung nachhaltig, sind alle dem Anwalt im Anwaltszimmer vorgelegten Akten auf etwaige Fristabläufe hin zu überprüfen.

 

Rz. 27

Trägt der Rechtsanwalt im Prozess bei einem Wiedereinsetzungsantrag nach Fristversäumnis nicht entsprechend vor und macht seinen Vortrag glaubhaft, wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Die Anforderungen an die Kanzlei beim Notieren der Fristen sind streng: Nachstehend wird ein Teil der Rechtsprechung zusammenfassend dargestellt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Fristenkontrolle als eigenes Thema ganze Bücher füllt und hier nur ein kurzer Abriss über wichtige Punkte gegeben werden kann.

 

Rz. 28

Viele der nachstehenden Punkte wurden immer wieder auch in den vergangenen Jahren mehrfach vom BGH so entschieden.

Jeder Posteingang, auch per Telefax oder E-Mail, ist mit Eingangsstempel zu versehen. Wurde die Post mit Zustellungsurkunde oder Empfangsbekenntnis zugestellt, ist dies neben dem Posteingangsstempel durch die Zusätze "ZU" bzw. "EB" entsprechend zu kennzeichnen.
Jede eingehende Post ist als erstes auf darin enthaltene Fristen durchzusehen und durchzulesen. Das gilt nicht nur für gerichtliche Schriftstücke sondern auch für Post von Behörden, anderen Rechtsanwälten usw.
Wenn der Anwalt die Post mit Akte vorgelegt haben möchte: Die zur Post gehörende Akte ist herauszusuchen und mit dem Poststück vorzulegen. Das Poststück ist auf und nicht in der Akte so zu befestigen, dass es nicht verloren gehen kann. Hierzu eignen sich z.B. sog. Foldback-Klammern, auch "Mauly®" genannt, die dafür sorgen, dass alles fest an seinem Platz bleibt. Büroklammern sind hier nicht geeignet.
Wenn der Anwalt die Post ohne Akte vorgelegt haben möchte: Sortieren Sie die Post in der Postmappe nach Wichtigkeit. Fristsachen zuerst; Werbung als letztes.
Die notierte Frist und Vorfrist sind unmittelbar hinter dem Eingangsstempel zu vermerken. Ist eine Frist in einem Anschreiben enthalten, ist die Stelle, die die Frist enthält, zu markieren (ggf. Leuchtstift oder mit rotem Stift unterstreichen), die Frist ist dahinter zu notieren.
Fristablauf und Vorfrist sind im Fristenkalender zu notieren. Das alleinige Führen eines elektronischen Kalenders stellt hohe Anforderungen an die Büroorganisation. Es wird allgemein empfohlen, für die Fristen (nicht die üblichen Wiedervorlagen) weiterhin zusätzlich einen Kalender in Papierform zu führen, insbesondere, wenn man mit den Vorgaben der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Führung allein mit elektronischem Kalender nicht vertraut ist. Natürlich wird in den nächsten Jahren durch die Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs verstärkt allein mit EDV-Kalender gearbeitet werden. Behalten Sie regelmäßig die vom BGH hierzu ergehenden Entscheidungen im Auge und passen Sie Ihre Büroorganisation ggf. rechtzeitig an. Der BGH fordert auch im digitalen Zeitalter bei Nutzung eines EDV-Kalenders einen Einzelausdruck zur notierten Frist und hält den Medienbruch für erforderlich, um eine hohe Prüfqualität des Eingetragenen zu erhalten.[9]
Sobald Frist und Vorfrist notiert sind, ist neben die Frist "not. Unterschriftenkürzel" anzubringen. Die Frist darf erst mit "not." gekennzeichnet werden, wenn sie tatsächlich notie...

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