Rz. 51

Grundsätzlich besteht auch im FE-Recht, wie im sonstigen Verwaltungsverfahren auch, ein Anspruch auf ein faires Verfahren. Dieses findet zunächst seine Ausprägung in den von den Grundrechten getragenen Verfahrensregelungen des VwVfG. Diese gehen nämlich von einem partnerschaftlichen Verständnis und Verhältnis von Bürger und Behörde aus und sehen nicht mehr das Gefüge eines obrigkeitlichen Staates, der – losgelöst von berechtigten Sichtweisen des Bürgers – einseitig anordnet und verpflichtet. Für die Behörde besteht eine Akzeptanzverantwortung. Dem dienen insbesondere die Verfahrensrechte der Akteneinsicht, Anhörung und Begründung. Dazu gehört auch, dass sich der betroffene Bürger nicht "überrumpelt fühlen" darf.

 

Rz. 52

Besitzt der Kraftfahrer erst eine sog. befristete Prüfungsbescheinigung (§ 22 Abs. 4 S. 7 Alt. 2 FeV) und wird er von der FE-Behörde jetzt ohne Mitteilung weiterer Einzelheiten aufgefordert, "einmal bei ihr vorbeizukommen", so darf er davon ausgehen, dass ihm jetzt der Kartenführerschein ausgehändigt werden soll. Die FE-Behörde kann ihm dann nicht unter Hinweis auf einen geringfügigen Verstoß mündlich die FE entziehen und die sofortige Ablieferung der befristeten Prüfungsbescheinigung verlangen. Im Übrigen ist eine mündliche Entziehung bereits unzulässig (vgl. dazu Rdn 44).

 

Rz. 53

Schließlich darf sich die Verwaltung nicht in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen. Hat die FE-Behörde trotz Vorliegens eines die Eignung ausschließenden Gutachtens die FE – wenn auch unter Auflagen – wiedererteilt und hat sie damit dem Betroffenen einen Vertrauensvorschuss in Form der Wiedererteilung der FE unter Auflagen eingeräumt, so darf sie sich in der Folgezeit hierzu nicht in Widerspruch setzen. Für eine abweichende Beurteilung der Fahreignung ist damit erst wieder Raum, wenn sich nach der Wiedererteilung neue Umstände ergeben.[45] Dies gilt jedenfalls dann, wenn die FE-Erteilung unter Auflagen zu Recht erfolgt ist.[46]

 

Rz. 54

Verlangt die FE-Behörde nach Einlegung des Widerspruchs gegen die FE-Entziehung durch den Betroffenen und nach einer von diesem jetzt erklärten Bereitschaft zur Begutachtung, für den Fall der Beibringung eines positiven amtsärztlichen Gutachtens einen Verzicht auf die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens einschließlich der RA-Kosten (vgl. dazu grundsätzlich § 80 Abs. 1 S. 3 VwVfG), so entspricht dies nicht so ohne weiteres den Grundsätzen einer fairen Verfahrensgestaltung.[47]

[45] VG Neustadt a. d. W. zfs 2003, 479.
[46] Weitergehend sogar: VG Neustadt a.d.W. zfs 2003, 479.
[47] OVG NRW, Beschl. v. 10.7.2002 – 19 E 808/01, VRS 105, S. 76, 79 f.

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