Rz. 31

Die häusliche Gemeinschaft fehlt auch dann, wenn die Ehegatten sie aufgehoben haben, obwohl beide weiter in der Ehewohnung leben, vgl. § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Norm selbst ist redaktionell misslungen, weil sie für die Beendung der häuslichen Gemeinschaft fordert, dass die Ehegatten "getrennt leben", obwohl die Beendigung der häuslichen Gemeinschaft ihrerseits ein Tatbestandselement des getrennten Lebens ist.[73] Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen dies zu bejahen ist, benennt die unlogische Norm nun aber gerade nicht. Die Vorschrift enthält also keine Definition des Getrenntlebens in der Ehewohnung; sie hat bloß klarstellende Funktion, dass ein solches Getrenntleben möglich ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen bestimmt auch hier § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB.

Zwar stellt der Tatbestand des § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB dem Tatbestandsmerkmal des Getrenntlebens als Alternative dasjenige gleich, bei dem die Ehegatten noch in häuslicher Gemeinschaft zusammen leben, jedoch ein Ehegatte getrennt leben will, weshalb die oft tatsächlich und rechtlich schwierige Entscheidung, ob die Ehegatten in der Ehewohnung bereits getrennt leben insoweit nicht erforderlich ist. Die Frage, ob die Ehegatten bereits getrennt leben (auch und gerade in der Ehewohnung) oder die häusliche Gemeinschaft noch besteht, ist aber regelmäßig für den an das Tatbestandsmerkmal "unbillige Härte" zu stellenden Maßstab entscheidend, hängen doch die Anforderungen wesentlich davon ab, ob und gegebenenfalls wie lange die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht und wie verfestigt das Getrenntleben bereits ist.

 

Rz. 32

Die räumliche Trennung der Ehegatten in derselben Wohnung ist tatsächlich schwieriger als in den Fällen, in denen ein Ehegatte die Wohnung verlässt. Gleichwohl sind hier keine höheren Anforderungen an das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft zu stellen, sondern die gleichen. Die Ehegatten haben, auch wenn beide noch in der Ehewohnung leben, die häusliche Gemeinschaft dann aufgehoben, sofern sie in ihr jenes Höchstmaß an räumlicher Trennung herbeigeführt haben, das nach den Gegebenheiten des Einzelfalls überhaupt zu erreichen ist.[74] Die in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zunächst im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH zu § 48 EheG a.F.[75] überwiegend auch in diesem Zusammenhang geforderte vollständige tatsächliche Trennung[76] hat der BGH[77] ausdrücklich und ebenso relativiert wie er Tendenzen einer Aufweichung durch Einführung subjektiver Elemente in den objektiven Tatbestand des Fehlens einer häuslichen Gemeinschaft entgegen getreten ist.

Es ist eine strikte Trennung der räumlichen Lebensbereiche erforderlich, und es darf kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werden. Eine strikte Trennung der räumlichen Lebensbereiche setzt voraus, dass die Ehegatten die Wohnräume untereinander zur jeweiligen Benutzung eindeutig aufteilen: Die Ehegatten müssen insbesondere in verschiedenen Räumen wohnen und schlafen,[78] ohne dass dies aber bereits für das Getrenntleben genügt.[79]

 

Rz. 33

 

Praxistipp

Diese Kriterien sind auch bei einer teilweisen Überlassung der Ehewohnung nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB zu beachten.

 

Rz. 34

Erforderlich ist weiter, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird. Im Bereich des gemeinsamen häuslichen Wirtschaftens und der Versorgung ist auch bei Getrenntleben in derselben Wohnung eine nahezu ausschließliche Trennung zu fordern, da zwingende Gegebenheiten, die für eine räumliches Nebeneinander sprechen können, sich auch für den Bereich der Haushaltsführung regelmäßig nicht ergeben. Das Gesetz und der Sinn der Vorschrift lassen es nicht zu, Gemeinsamkeiten im Haushalt dann zu rechtfertigen, wenn sie aus finanzieller Enge erklärt werden.[80]

Eine häusliche Gemeinschaft wird aber nicht durch gelegentliche Handreichungen aufrecht erhalten, zum Beispiel, wenn die Frau für den Mann gelegentlich kocht, alle drei Monate die Bettwäsche erneuert, sein Zimmer aufräumt, wenn er abwesend ist, insbesondere wenn diese Tätigkeiten aufgedrängt sind.[81]

 

Rz. 35

Leben in der Wohnung gemeinsame Kinder, ist die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft besonders schwierig. Gleichwohl ist die Problematik im hiesigen Zusammenhang von geringerer Bedeutung, da dann wegen § 1361b Abs. 1 S. 2 BGB bei einer Kindeswohlbeeinträchtigung regelmäßig eine nur teilweise Überlassung der Wohnung ausscheidet. Zwar sieht § 1361b Abs. 1 BGB – anders als in den Fällen der Gewaltanwendung in Abs. 2 S. 1 der Vorschrift – weder eine Regel vor, dass dem Ehegatten der Überlassungsanspruch zusteht, bei dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben sollen, noch, dass bei einer Überlassung eine Teilung der Wohnung ausscheidet, doch ergibt sich beides aus der herausragenden Bedeutung des Kindeswohls.[82]

Rauscher[83] hebt zutreffend hervor, dass jedenfalls notwendige Absprachen über die Erziehung und die Versorgung der Kinder dem objektiven Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft nicht entgegenstehen.[84] Darüber hinaus stehen lediglich unter bes...

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