Rz. 9

Seiner Rechtsnatur nach ist der Beschluss ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art in Gestalt eines sog. Gesamtaktes, der eine oder mehrere Willenserklärungen bündelt und die kollektive und rechtsverbindliche Entscheidung der Gemeinschaft über einen Antrag zum Ausdruck bringt.[7] Das Verfahren der Beschlussfassung wird im Abschnitt über die Eigentümerversammlung dargestellt (→ § 7 Rdn 124). Der Beschluss hat aber nicht nur "Binnenwirkung"; vielmehr kann der in ihm konstituierte Wille des Verbandes auch eine Willenserklärung mit Wirkung im Außenverhältnis darstellen, ohne dass es dazu zwingend der Zwischenschaltung einer (mit der Abgabe der Erklärung) beauftragten Person bedürfte (str.).[8] Die Gemeinschaft kann deshalb direkt durch Beschluss ein Vertragsangebot annehmen (z.B. einen Verwalter bestellen bzw. mit ihm einen Verwaltervertrag abschließen → § 10 Rdn 45) oder einen Auftrag erteilen (z.B. einen Rechtsanwalt mandatieren → § 5 Rdn 78).

 

Rz. 10

Ein Beschluss ist, sofern er nicht nichtig ist, sofort ab Beschlussfassung wirksam und zu vollziehen; das gilt auch für rechtswidrige Beschlüsse (→ § 10 Rdn 260). Ein rechtswidriger Beschluss wird erst und nur dann ungültig, wenn er durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil für ungültig erklärt wird, was voraussetzt, dass er innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung gerichtlich angefochten wurde (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Nach Ablauf der Anfechtungsfrist (oder wenn das abweisende Urteil einer Beschlussanfechtung rechtskräftig wird) werden Beschlüsse ("endgültig") bestandskräftig. Mit der Bestandskraft steht zwischen den Wohnungseigentümern unwiderleglich fest, dass der Beschluss und sein Vollzug ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und rechtmäßig sind.[9] Deshalb gibt es – von Extremfällen abgesehen – weder einen Anspruch auf Unterlassung des Beschlussvollzugs,[10] noch einen Anspruch auf Fassung eines korrigierenden Zweitbeschlusses (→ § 2 Rdn 34).

 

Rz. 11

Dem Mehrheitsprinzip entsprechend wirkt ein Beschluss auch für und gegen die Eigentümer, die dagegen stimmten oder daran nicht mitwirkten. Diese Rechtsfolge stand bis zum 30.11.2020 ausdrücklich im Gesetz (§ 10 Abs. 5 WEG a.F.). Die Regelung ist im Zuge der WEG-Reform 2020 entfallen, weil sie selbstverständlich ist.

 

Rz. 12

 

Beispiel

Auf einer Eigentümerversammlung wird mehrheitlich beschlossen, Miteigentümer B zur Beseitigung einer von ihm vorgenommenen baulichen Veränderung aufzufordern und den Rückbau erforderlichenfalls gerichtlich durchzusetzen. Zur Finanzierung der rechtlichen Schritte wird eine Sonderumlage beschlossen. Die Miteigentümer A und B waren gegen den Beschluss und wollen nicht bezahlen. Durch den Beschluss werden aber sowohl A als auch B verpflichtet, ihren jeweiligen Anteil an der Sonderumlage zu bezahlen.

 

Rz. 13

Eine Anspruchsbegründung (oder Anspruchsvernichtung), also die Schaffung selbstständiger Leistungs- oder Duldungsverpflichtungen einzelner Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft, ist (abgesehen von Beschlüssen über Vor- und Nachschüsse) durch Beschluss (ob bestandskräftig oder nicht) nicht möglich. Derartige Beschlüsse sind mangels Beschlusskompetenz nichtig.[11]

 

Rz. 14

 

Beispiele für nichtige Beschlüsse:

a) Die Treppenhausreinigung obliegt den Eigentümern nach einem von der Verwaltung aufzustellenden Putzplan (→ § 3 Rdn 41).

b) Die Garageninhaber müssen einmal im Jahr ihr Garagendach reinigen oder durch eine Fremdfirma reinigen lassen.[12] Oder: Jeder Eigentümer streicht seine Fenster selbst.[13]

c) Die von A vorgenommene Baumaßnahme [nähere Bezeichnung derselben] ist widerrechtlich und A zum Rückbau bis zum 20.5.2022 verpflichtet.

 

Rz. 15

 

Praxistipp

Bei den "Rückbaubeschlüssen" wird meistens schon die einfache Auslegung zu dem Ergebnis führen, dass nicht eine (unwirksame) konstitutive Begründung von Ansprüchen, sondern eine (wirksame) Aufforderung gemeint ist und ggf. die gerichtliche Durchsetzung vorbereitet werden soll.[14] Unklarheiten sind in jedem Fall zu vermeiden, daher ist eine entsprechend eindeutige Beschlussformulierung geboten (Muster → § 3 Rdn 68 und § 4 Rdn 120).

 

Rz. 16

Beschlüsse wirken grundsätzlich ohne Grundbucheintragung gegen einen Rechtsnachfolger, also insbesondere gegen den Erwerber einer Wohnung (§ 10 Abs. 3 S. 2 WEG). Anders ist es nur, wenn ein Beschluss auf der Grundlage einer vereinbarten Öffnungsklausel (→ § 2 Rdn 99) die Gemeinschaftsordnung ändert (oder entsprechende Beschlüsse ändert oder aufhebt): dann wirkt er gem. § 5 Abs. 4 S. 1 WEG gegen Rechtsnachfolger nur, wenn er als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen ist (zur Eintragung → § 2 Rdn 104). Kritik: Für einen Wohnungseigentümer steht die konkrete Auswirkung einer Beschlussfassung auf sein Wohnungseigentum im Vordergrund; die Rechtsgrundlage (vertragliche oder gesetzliche Öffnungsklausel) ist für ihn nebensächlich.[15] Besser wäre es, wenn alle die Gemeinschaftsordnung ändernden Beschlüsse im Grundbuch einzutragen wären. Diese schon seit Jahren an den Gesetzgeber herangetragene ...

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