Rz. 4

Gerade in größeren Kanzleien kann es – zunächst unbemerkt – zur Doppelmandatierung kommen, weil unterschiedliche Beteiligte ein- und desselben Verkehrsunfalls Besprechungstermine bei unterschiedlichen Sachbearbeitern innerhalb eines Büros erhalten. Oftmals fällt das relativ schnell bei der Aktenanlage auf, insbesondere dann, wenn die Aktenführung elektronisch unterstützt wird.

 

Rz. 5

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt, der den Anwalt oft unbemerkt in die Nähe des Parteiverrats bringen kann. Es sind oftmals die Konstellationen, in denen nicht nur der Fahrer des Fahrzeugs, sondern auch die Insassen des Fahrzeugs den Anwalt mit der Regulierung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen aus ein- und demselben Unfallereignis beauftragen wollen. Der Hintergrund ist darin zu sehen, dass seit dem 1.8.2002 der Insasse einen vollen Schadensersatzanspruch gem. § 7 StVG gegen den Halter einschließlich Schmerzensgeldanspruch hat, selbst wenn den Halter kein Verschulden trifft oder gar ein für den Halter unabwendbares Ereignis gegeben ist. Dies ist deshalb relevant, weil gegenüber einem Geschädigten, der selber nicht für die Betriebsgefahr eines verunfallten Kraftfahrzeugs einzustehen hat, wie dies bei Insassen der Fall ist, der Halter als Schädiger sich seit dem 1.8.2002 nur bei höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) entlasten kann. Dies gelingt so gut wie nie. Um aus diesem Dilemma heraus zu kommen, wird teilweise vertreten, dass der Anwalt sich bei der Interessenwahrnehmung der Fahrzeuginsassen das Mandat ausschließlich im Verhältnis zum gegnerischen Haftpflichtversicherer erteilen lassen soll, wobei ausdrücklich keine Ansprüche gegenüber dem eigenen Fahrer bzw. dessen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden sollen (Hillmann/Schneider, § 1 Rn 127 m.w.N.). Ein solches Vorgehen erfordert eine schriftlich dokumentierte Aufklärung des Mandanten. Ferner sind die Vollmacht und der schriftliche Auftrag schriftlich entsprechend auf die gesamtschuldnerische Geltendmachung der Inanspruchnahme des gegnerischen Versicherers unter Ausschluss der haftungsrechtlichen Ansprüche gegenüber dem eigenen Fahrer bzw. bzw. dessen Haftpflichtversicherers zu beschränken (so Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 2, § 1 Rn 132). Ob das allerdings eine wirklich tragfähige Lösung ist, muss jeder Anwalt für sich selbst entscheiden. Staatsanwälte können hier auch eine andere Auffassung vertreten. Van Bühren hält die Mehrfachvertretung für zulässig, wenn jeder betroffene Mandant über die Tatsache der Mehrfachversicherung aufgeklärt wird, ebenso über die daraus resultierenden nachteiligen Rechtsfolgen (van Bühren, zfs 2014, 194). Jeder Anwalt muss an dieser Stelle für sich entscheiden, wie weit er sich in diesen Graubereich hinein bewegt. Sollte ein Mitverschulden im Raum stehen, wird dringend von der "Doppelvertretung" der Insassen abgeraten.

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