Rz. 1

Der Nachranggrundsatz ist der Gegenpart zum Solidaritätsprinzip. Er steht für die Verantwortlichkeit des Einzelnen und z.T. seiner sog. Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft. Er steht dafür, dass eigenes Einkommen und Vermögen dieses Sozialverbandes vorrangig zur Bedarfsdeckung einzusetzen bzw. mindestens ein Kostenbeitrag aus eigenen Mitteln zu leisten ist. Ausdruck des Nachranggrundsatzes ist die Verpflichtung, realisierbare Ansprüche auch tatsächlich zu realisieren.[1] Die Selbsthilfeverpflichtung gilt als Ausdruck der Menschenwürde.[2] Verweigert der Hilfesuchende dies, kann die Hilfeleistung vollständig abgelehnt werden.[3] Der wenn auch nur vorübergehende Entzug existenzsichernder Leistungen schafft allerdings eine außerordentliche Belastung für den Betroffenen. Die Versagung existenzsichernder Leistungen unterliegt deshalb strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit.[4]

 

Rz. 2

Beim Verschenken/Geschenktbekommen und Erben/Vererben in Familien mit (potenziellen) Beziehern nachrangiger Sozialleistungen geht es stets darum, nachrangige Hilfe- und Förderungsleistungen trotz des Zuflusses/Abflusses von Mitteln aus Erbfall und Schenkung zu bekommen oder zu erhalten. Dazu muss man wissen, ob in den unterschiedlichen sozialrechtlichen Leistungs- und Regressverhältnissen ein einheitlicher Nachranggrundsatz gilt, der auch zu einem einheitlichen System des Regressrechts führt, oder ob es "den" Nachranggrundsatz gar nicht gibt und sowohl die Leistungssysteme als auch das Regressrecht grundverschieden sind und jeweils gesondert geprüft werden müssen.

[1] Vgl. m.w.N. Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil II, Kapitel 7 Rn 24 ff.
[2] Grube/Grube, SGB XII, Einl. Rn 52.
[4] BVerfG v. 5.11.2019 – Az.: 1 BvL 7/16 Ls. = BVerfGE 152, 68–151.

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