A. Dogmatische Grundlagen

 

Rz. 1

Bei der Schadensersatzposition des Haushaltsführungsschadens geht es darum, im Verletzungsfall die schadensbedingt verminderte Leistungsfähigkeit im Bereich der Haushaltsführung oder auch den vollständigen Ausfall des Haushaltsführenden in Geld zu beziffern. Wird in Folge der Verletzung von Körper oder Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben, gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten eine Schadensersatzrente zu leisten (§ 843 Abs. 1 BGB).

 

Rz. 2

Der Schadensersatzanspruch knüpft an die vereitelte Erwerbsfähigkeit oder das Vorhandensein vermehrter Bedürfnisse an. Beim Haushaltsführungsschaden können beide Anknüpfungspunkte betroffen sein. Der Haushaltsführungsschaden ist dogmatisch den vermehrten Bedürfnissen zuzuordnen, soweit die bisherige Eigenversorgung des Verletzten beeinträchtigt ist. Das betrifft den 1-Personenhaushalt und den Eigenversorgungsanteil im Mehrpersonenhaushalt. Neben der Eigenversorgung umfasst die Haushaltsführung auch die Fremdversorgung der anderen Haushaltsmitglieder – des Partners und des/der Kind/er. Dogmatisch ist die Fremdversorgung dem Erwerbsschaden zugeordnet. Dieser Fremdversorgungsanteil, der zunächst als Dienst der Ehefrau für den Ehemann galt, wurde erstmals per Gesetz im Jahre 1958 als Berufsarbeit und damit als Erwerbstätigkeit qualifiziert.

Insoweit ist der Haushaltsführungsschaden dann dogmatisch dem Erwerbsschaden zuzuordnen.

 

Rz. 3

Der Haushaltsführungsschaden entsteht nicht nur bei dauerhafter Vereitelung der damit im Zusammenhang stehenden Fähigkeiten. Er kann auch bei einem zeitlich limitierten Verletzungsbild, wie z.B. einer nach einigen Monaten vollständig und folgenlos ausgeheilten unkomplizierten Fraktur, gegeben sein.

 

Rz. 4

Die Tabelle 1 kann als Schätzungsgrundlage für den Haushaltsführungsschaden im Verletzungsfall dienen. Terminologisch gibt die Tabelle 1 den Zeitaufwand wieder, der nach statistischer Erhebung tatsächlich durchschnittlich erbracht wird, um die Eigenversorgung und ebenso die Fremdversorgung innerhalb der Familie zu gewährleisten (= Haushaltsführungsaufwand).

B. Prüfungsreihenfolge

 

Rz. 5

Für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens im Verletzungsfall kann in der folgenden Reihenfolge vorgegangen werden:

I. Vorabüberlegung

 

Rz. 6

Nur, wer sich mit dem Verletzungsbild des Geschädigten vollständig vertraut gemacht hat, kann alle Facetten im Haushaltsführungsschaden beachten. Am besten "fühlt" man sich in die Einschränkungen selbst hinein.

II. Zeitfenster bilden

 

Rz. 7

Um die Berechnung nicht unübersichtlich werden zu lassen, bietet es sich an nach einer "Faustformel" im Wesentlichen 3 Zeitfenster zu bilden, innerhalb derer der Haushaltsführungsschaden jeweils berechnet wird. In einem ersten Zeitfenster sind alle stationären Aufenthalte (Akutklinik, Rehakliniken, spätere Metallentfernung etc.) zusammenzufassen. Das dritte Zeitfenster ist davon gekennzeichnet, dass für den Geschädigten ein Dauerzustand eingetreten ist. Das bedeutet, dass sich die Einschränkungen in der Haushaltsführung aufgrund des abgeschlossenen Genesungsverlaufes konstant in einer bestimmten Prozentgröße darstellen.[1] Zwischen dem ersten und dem dritten Zeitfenster wird das zweite Zeitfenster definiert aus sämtlichen Kalendertagen, die zwischen dem 1. und 3. Zeitfenster liegen.

Gelegentlich sind weitere Zeitfenster nötig, wenn sich Veränderungen in der Familie ergeben, wie z.B. Heirat, Scheidung, Geburten etc. Allerdings sollten nicht zu viele Zeitfenster gebildet werden, weil das die Berechnung unübersichtlich macht (wegen des weiteren Vorgehens innerhalb der Zeitfenster wird auf die Ausführungen unter Rdn 23 verwiesen).

[1] Spätere Veränderungen in Folge gesundheitlicher Verbesserungen oder Verschlechterungen erfordern hier ggf. eine Korrektur.

III. Angaben aus dem Haushalt des Geschädigten

 

Rz. 8

Sämtliche relevanten Angaben zum Haushalt und zur gesundheitlichen Entwicklung sollten vom Anspruchssteller in dem Fragebogen zur Erhebung der Haushaltsdaten für die individuelle Berechnung des Haushaltsführungsschadens eingetragen werden, welcher in Teil 2 als Kopiervorlage zur Verfügung steht. Das Auswertungsergebnis dieses Fragebogens wird abgeglichen mit dem Zeitaufwand, so wie er sich aus der einschlägigen Tabelle 1 ergibt. Hierbei sind Zuschläge für Kinder bis 18 Jahre gem. Tabelle 4 zu berücksichtigen.

Weichen die Angaben des Geschädigten von den statistischen Tabellenwerten ab, bedarf es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Bei Überschreitung der statistischen Durchschnittswerte sollte geprüft werden, ob das an einer fehlerhaften Bearbeitung des Fragebogens liegt oder ob der vorliegende Haushalt so viele Abweichungen vom statistischen Durchschnitt aufweist, dass sich die Zeitaufwandsdiskrepanz daraus erklären lässt. Wenn sich die Zeitangaben des Geschädigten deutlich unterhalb des sich aus den hiesigen Tabellen ergebenden statistischen Durchschnitts bewegen, sollte ebenfalls überprüft werden, ob ein Ausfüllfehler im Fragebogen vorliegt oder Besonderheiten im Haushalt vorliegen, die die Abweichung des individuellen Zeitaufwandes vom dur...

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