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Ebenso wie physische Verletzungsfolgen zum Ersatz des Haushaltsführungsschadens berechtigen, ist die bei der Verletzung der Psyche der Fall. Etwas anderes lässt sich aus dem Wortlaut des § 843 Abs. 1 BGB auch nicht herleiten. Einerseits kann die psychische Verletzung unmittelbar als Primärverletzung aus dem Schadensereignis resultieren und andererseits kann sich die psychische Befindlichkeitsstörung als Folge der physischen Primärverletzung ergeben. Für den Haushaltsführungsschaden macht das keinen Unterschied. Bemerkenswert ist, dass bei schwerwiegenden physischen Verletzungen daneben attestierte psychische Unfallfolgen in der Praxis meist kein Regulierungshemmnis darstellen. Anders ist es immer nur dann, wenn die Verletzung der Psyche gravierender ist als die Verletzung der Physis.

Zunächst erscheint es abwegig, jemandem einen Haushaltsführungsschaden zu attestieren, der nur über geringe physische Einschränkungen verfügt, die jedoch erhebliche psychische Auswirkungen haben. Auf den ersten Blick ist es nicht verständlich, wie ein Geschädigter an der Verrichtung seiner Haushaltsführung gehindert sein soll, obgleich ihm doch alle 4 Extremitäten sowie sein Rumpf weitestgehend unbeschadet zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Jeder noch so schwere Einkauf kann getragen werden, es bestehen keine Bedenken, auf der Leiter Gardinen anzubringen, auch das Kartoffelschälen bereitet keine Schwierigkeiten. Der Haushaltsführungsschaden resultiert bei psychischen Verletzungsbildern aus anders gelagerten Einschränkungen. So ist es z.B. das Kennzeichen der Depression, dass der Betroffene niedergeschlagen ist, unter gedrückter Stimmung leidet, Freude und Interessen verloren hat, antriebslos und müde ist. Die innere Leere führt dazu, dass selbst das Aufstehen am Morgen den Geschädigten so schwer fällt, dass sie das Bett nicht verlassen. Damit können sie ihren alltäglichen Aufgaben, zu denen eben auch die Haushaltsführung gehört, nicht mehr nachkommen. Es ist sozusagen ein "Nichtkönnen" auf einer anderen Ebene. Die Psyche lähmt die Physis.

Vom Ausmaß der psychischen Beeinträchtigung hängt ab, in welchem Umfang hauswirtschaftliche Verrichtungen nicht mehr geleistet werden können. Dieses Ausmaß ist nach § 287 ZPO zu schätzen.

Hilfreich kann an dieser Stelle die Entscheidung des OLG Köln vom 12.12.2014[8] sein. Im dortigen Fall dominierten im Dauerschaden die psychischen Unfallfolgen vor den physischen Verletzungen. Hier hat das OLG entschieden, dass die MdH mit der ärztlich festgestellten MdE in der Höhe exakt deckungsgleich sei, weil die Klägerin durch die psychischen Verletzungsfolgen (neurologisch-psychische Erkrankungen) koordinierungs-, steuerungs- und antriebsgemindert sei und diese Antriebsminderung sowohl einer Tätigkeit im Arbeitsleben (MdE) als auch im Haushalt (MdH) wirkungsgleich entgegenstehe.[9]

In Sachverhalten, in denen daneben messbare physische Einschränkungen vorliegen, dient folglich die MdE für psychische Einschränkungen als Anhaltspunkt für deren MdH, der dann noch die MdH für die physischen Verletzungen anhand der Tabelle 5 oder 6 hinzuzurechnen ist.

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