Rz. 64

Aus dem Gesetzestext selbst ist nicht zu entnehmen, in welcher Zeit, an welchem Ort und mit welcher Dauer und Häufigkeit Umgangskontakte durchzuführen sind, wobei das Ziel des Umgangsrechts jeder Schematisierung entgegensteht.[231] Aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt vielmehr, dass in jedem Einzelfall alle Umstände, die das Eltern-Kind-Verhältnis berühren, in die Erwägungen einzubeziehen sind.[232] In der Umgangsregelung muss – von Amts wegen – Niederschlag finden, dass § 1684 Abs. 1 BGB zur Wahrnehmung des Umgangs nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Nach Maßgabe dessen ist die Folgenankündigung nach § 89 Abs. 2 FamFG auch auf den Umgangsberechtigten zu erstrecken (vgl. dazu § 6 Rdn 37).[233]

 

Rz. 65

Zu treffen ist eine dem jeweiligen Kind gerecht werdende individuelle Regelung, die unter Ausschöpfung aller verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Ermittlung des Kindeswillens und dessen Belangen bei Wertung aller Umstände dem Kindeswohl entspricht.[234] Wurde bereits zuvor längere Zeit eine bestimmte Umgangsausgestaltung praktiziert und hat sich diese bewährt, so indiziert dies deren Kindeswohlgemäßheit.[235] Erreichen die Eltern Teileinigungen, so sind diese im Wege des Teilvergleichs zu protokollieren (siehe dazu Rdn 237 ff.).[236]

Zu berücksichtigen sind insbesondere:[237]

die Belastbarkeit des Kindes,[238]
die bisherige Intensität der Beziehungen zum Umgangsberechtigten[239] und Vertrautheit mit diesem,
die räumliche Entfernung der Eltern voneinander,[240]
die Wohnsituation des Umgangsberechtigten,
die dortige Anwesenheit von Geschwistern oder neuen Partnern,
die sonstigen Interessen und Bindungen von Kind und Eltern,[241]
der Wille des Kindes,
das Kindesalter und dadurch bedingtes Zeitempfinden,
der Entwicklungs- und Gesundheitszustand des Kindes,
das Konfliktniveau zwischen den Eltern,[242]
ggf. die Bindungsbedürfnisse des Kindes gegenüber seinen Pflegeeltern.[243]
[231] OLG Schleswig, Beschl. v. 30.5.2016 – 10 UF 11/16, juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2016 – 9 UF 56/15 (n.v.).
[232] BVerfG FamRZ 2009, 189; 2008, 494; 2007, 1078; 1993, 662; Fthenakis, FPR 1995, 94.
[233] BGH FamRZ 2011, 1729; OLG Saarbrücken ZKJ 2012, 118 und FamRZ 2011, 826; vgl. auch BGH FF 2012, 67, dort Rn 28: "die Eltern".
[234] BVerfG FamRZ 1993, 662.
[235] KG FamRZ 2014, 2013.
[236] Für Absprachen zwischen Eltern können sich Internetportale als hilfreich erweisen, siehe etwa www.umgangskalender.de.
[237] OLG Saarbrücken FamRZ 2011, 824; OLG Hamm FamRZ 2015, 273; van Els, FF 2011, 320.
[238] BVerfG FamRZ 2008, 856 (Leitsatz).
[239] Vgl. auch KG FamRZ 2014, 2013.
[240] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2015 – 6 UF 132/15 (n.v.); siehe dazu auch Ulrich, Umgangskontakte über große Distanzen aus psychologischer Sicht, NZFam 2014, 889; Kretzschmar, Fliegende Kinder – Umgangsregelungen bei großer räumlicher Entfernung, NZFam 2014, 893.
[241] OLG Hamm FamRZ 1990, 654; AG Kerpen FamRZ 1994, 1486.
[242] OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 62.
[243] OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1356.

1. Zeit, Dauer und Häufigkeit der Zusammentreffen

 

Rz. 66

Auch wenn jegliche Schematisierung zu vermeiden ist,[244] hat sich gleichwohl als gefestigte Rechtsprechung herausgebildet, dass bei älteren Kindern der Umgangskontakt in jeweils 14-tägigem Rhythmus stattfindet.[245] Damit die Umgangsregelung vollstreckbar ist (siehe dazu § 6 Rdn 14 ff.), muss der erste periodische Umgangstermin kalendermäßig festgelegt werden.[246]

Ein Kontakt an jedem Wochenende ist problematisch, da hierdurch dem betreuenden Elternteil die Möglichkeit genommen wird, eigene Wochenenden mit dem Kind zu verbringen.[247]

Ein Wechselmodell kann richterlich nicht – und schon gar nicht durch eine entsprechende Umgangsregelung – angeordnet werden (siehe dazu eingehend § 1 Rdn 327 ff.).

 

Rz. 67

Der Ausübung eines periodischen Umgangsrechts können im Einzelfall allerdings beachtliche Gründe entgegenstehen, aufgrund derer es der umgangsberechtigte Elternteil hinzunehmen hat, dass an einem bestimmten Tag entgegen dem Inhalt der getroffenen Regelung ausnahmsweise kein Kontakt mit dem Kind stattfinden kann. Ein solcher Grund ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Kind wegen einer vom betreuenden Elternteil geplanten Ferienreise abwesend ist. Denn zum einen würde es dem Wohl des Kindes widersprechen, wenn allein wegen des periodischen Umgangsrechts Familienurlaube von allgemein üblicher Dauer innerhalb (bei einem schulpflichtigen Kind) oder auch außerhalb (beim einem kleineren Kind) der Schulferien unterbleiben müssten. Zum anderen ist es dem betreuenden Elternteil zuzugestehen, mit dem Kind eine Urlaubsreise anzutreten. Die Zeit der Urlaubsreise stellt somit eine dem Recht immanente Schranke für das periodische Umgangsrecht dar. Eine andere Beurteilung ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn sich die Urlaubsgestaltung des betreuenden Elternteils als schikanös und treuwidrig erweist und sie insbesondere dazu dient, das Umgangsrecht des anderen Elternteils zu vereiteln oder sogar – vor allem bei langfristiger oder häufig wiederkehrend...

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