Rz. 156

Einfachrechtlicher Entscheidungsmaßstab für eine Umgangseinschränkung oder einen Umgangsausschluss ist stets allein § 1684 Abs. 4 BGB; § 1666 BGB und § 1696 Abs. 1 BGB finden insoweit keine Anwendung.[589]

Um eine Beschränkung des Umgangsrechts vornehmen zu können, enthält § 1684 Abs. 4 BGB zwei Eingriffsschwellen:

Das Umgangsrecht kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn es zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB).
Soll eine Einschränkung oder der Ausschluss auf längere Zeit vorgenommen werden, so setzt dies voraus, dass andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB).

Allerdings relativiert sich der Unterschied zwischen beiden Alternativen, weil das BVerfG in ständiger Rechtsprechung bereits für eine Einschränkung des Umgangsrechts eine Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes voraussetzt.[590]

[589] OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 344 m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2014 – 4 UF 355/13, juris.
[590] Vgl. nur BVerfGE 31, 194 – grundlegend – und BVerfG FuR 2008, 338; BVerfG FamRZ 2013, 433.

1. Erforderlichkeit von Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts

 

Rz. 157

Ob eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts dem Grunde nach in Betracht kommt, orientiert sich am Kindeswohl (§ 1697a BGB).[591] Es müssen belastbare Gründe vorliegen, die befürchten lassen, dass sich das Kind ohne Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts ungünstig entwickeln wird.[592] Hierunter erfasst werden können etwa gravierende seelische Belastungen des Kindes, die in ihrer Ursache im Wesentlichen auf das zwischen den Eltern bestehende massive Konfliktpotential zurückzuführen sind.[593] Ebenso kann auch die zunächst nur eingeschränkte Anordnung eines Umgangskontakts angezeigt sein, um dem umgangsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zum Nachweis der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der von ihm gewünschten Kontakte zu geben und gleichzeitig das Kind vor weiteren Enttäuschungen bei bislang nur unzuverlässig wahrgenommenen Umgangskontakten zu schützen.[594]

 

Rz. 158

Der Rechtsbegriff der "Erforderlichkeit" enthält zugleich eine verfahrensbestimmende Aufforderung an die Beteiligten und das Gericht, die familiäre Situation gemäß § 26 FamFG umfassend aufzuklären. Alle Möglichkeiten einer für das Kind seelisch erträglichen, d.h. möglichst konfliktfreien Anbahnung von Kontakten sind – ggf. auch unter Einholung eines psychologischen Gutachtens – zu prüfen.[595] Je intensiver in das Umgangsrecht eingegriffen wird, umso höher sind die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht.[596] Der Ausschluss oder die Beschränkung des Umgangs sind nur dann gerechtfertigt, wenn von einer konkreten Gefährdung des Kindes auszugehen ist (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 25 f.).[597]

[591] KG FamRZ 1999, 1518.
[592] OLG Hamburg FamRZ 1991, 471; KG FamRZ 1989, 656.
[593] OLG Saarbrücken FamRZ 2007, 495; Anm. Giers, FamRB 2007, 10.
[595] OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1124; OLG Nürnberg FamRZ 2014, 858.
[596] BVerfG FamRZ 201, 433; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 621.
[597] BVerfG FamRZ 1983, 872; OLG Saarbrücken FamRZ 2001, 369.

2. Einschränkung oder Ausschluss auf längere Zeit oder auf Dauer

a) Gefährdung des Kindeswohls

 

Rz. 159

Eine dauerhafte Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts sind nur möglich, wenn andernfalls das Kindeswohl nachhaltig gefährdet wäre.[598] Der Ausschluss des Umgangs ist also nur gerechtfertigt, wenn er nach den Einzelfallumständen unumgänglich ist, um eine akute Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden, und wenn der Gefahr nicht auf andere Weise ausreichend entgegengewirkt werden kann.[599]

 

Rz. 160

Der Umgangsausschluss ist verfassungsrechtlich zulässig,[600] darf aber nicht einseitig auf die ablehnende Haltung des betreuenden Elternteils gestützt werden. Ebenso wenig kommt er als schematisierte Maßnahme bei Inpflegenahme von Kindern in Betracht;[601] vielmehr ist dann – auch bei Dauerpflege – eine Umgangsregelung zu treffen, um die Rückführungsperspektive offenzuhalten (siehe dazu § 1 Rdn 224 und § 4 Rdn 23).[602] Beschränkt sich das Gericht lediglich auf die Ablehnung der Regelung des Umgangs, so wird dadurch das Elternrecht des nicht betreuenden Elternteils verletzt (siehe im Einzelnen Rdn 58, 60 und 60 ff.).[603]

Stets ist zu prüfen, ob sich das Kind aus nachvollziehbaren Gründen gegen den Umgang ausspricht (siehe Rdn 102 ff.).[604]

[598] BVerfGE 31, 194; OLG Hamm FamRZ 1999, 326; OLG Celle FamRZ 1998, 1458.
[599] BGH FamRZ 1980, 132; OLG Köln FamRZ 2005, 2011.
[600] BVerfG FamRZ 1983, 872.
[601] EuGHMR FamRZ 2002, 1393; OLG Hamm FamRZ 2004, 1310.
[602] Siehe hierzu EuGHMR FamRZ 2002, 1393; BVerfGE 68, 176; vgl. auch BVerfGE 75, 201 und 79, 51; BVerfG FamRZ 2004, 771; OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 463; 2010, 1092.
[603] BVerfG FamRZ 2006, 1005; 2005, 1815.
[604] OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1460.

b) Längere Zeit

 

Rz. 161

Diesen Begriff definiert § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB nicht näher. Allerdings ist auch dieses Zeitmaß auf das Kindeswohl zu beziehen und vom Alter und Zeitempfinden des Kindes abhängig zu machen.[605] So kann etwa bei...

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