Rz. 8

Durch die Generalklausel der elterlichen Sorge in § 1626 Abs. 3 BGB wird das Recht des Kindes auf Umgang als regelmäßiger Bestandteil des Kindeswohls gewährleistet und hervorgehoben. Hiernach gehört der Umgang mit beiden Elternteilen in aller Regel zum Wohl des Kindes. Zudem verdeutlicht § 1684 Abs. 1 BGB, dass Regelungsgegenstand nicht nur das Umgangsrecht eines Elternteils ist, sondern das Kind ein selbstständig ausgestaltetes Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen hat.[20] § 1626 Abs. 3 und § 1684 Abs. 1 BGB konkretisieren den verfassungsunmittelbaren Anspruch des Kindes auf Umgang mit jedem seiner Elternteile.[21] Die Eltern sind daher verpflichtet, zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen. Die Interessen des Kindes sind vorrangig zu berücksichtigen.[22] Im Zentrum der Norm steht das Kind mit seinem subjektiven Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen. Inwieweit dieses Recht mehr als bloßen Appellcharakter hat,[23] also nicht lettre morte[24] bleibt, ist im Wesentlichen auch von der Einstellung der Eltern abhängig. In jedem Fall aber kann eine Umgangsanordnung das Bewusstsein der Eltern erweitern und ihnen verdeutlichen, dass es bei der Umsetzung des Umgangsrechts um die Befriedigung eines elementaren Bedürfnisses ihres Kindes geht.

 

Rz. 9

Im Regierungsentwurf zum KindRG war von der Schaffung eines eigenen Umgangsrechts des Kindes abgesehen worden, weil die Bestellung eines besonderen Pflegers für die Geltendmachung dieses Rechts als zu großer Aufwand angesehen wurde. Vertreten wurde zudem die Auffassung, dass mangels Vollstreckbarkeit eine wirkliche Verbesserung für das Kind nicht erreicht werde.[25] Die Geltendmachung des Rechts berge die Gefahr einer nicht wünschenswerten Verlagerung des Elternkonflikts auf das Kind.[26] Dem war der Gesetzgeber zu Recht nicht gefolgt.

 

Rz. 10

In den Fallkonstellationen, in denen ein Elternteil an der Ausübung des Umgangs kein Interesse zeigt, hat das Kind die Möglichkeit, beim Jugendamt zunächst nach § 18 Abs. 3 S. 1 SGB VIII Beratung und Unterstützung[27] zu bekommen (dazu eingehend § 12 Rdn 27 ff.) und gegebenenfalls seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.[28] Allerdings kann ein unwilliger Elternteil, der sein Umgangsrecht nicht ausüben will, obwohl er hierzu vom Familiengericht nach § 1684 Abs. 1 BGB verpflichtet worden ist, in aller Regel zur Umgangsausübung nicht mittels Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG gezwungen werden.[29]

 

Rz. 11

Kommt es zu einer solchen – in dieser Fallgestaltung sehr seltenen – gerichtlichen Auseinandersetzung, so ist zu berücksichtigen, dass der eigene Umgangsanspruch des Kindes dessen höchstpersönliches Recht ist. In einer Entscheidung vom 14.5.2008 hat der BGH darauf verwiesen, dass der betreffende Elternteil nicht befugt ist, dieses höchstpersönliche Recht des Kindes im eigenen Namen geltend zu machen.[30] Eine Geltendmachung des Umgangsrechts im Wege der Verfahrensstandschaft komme nicht in Frage. Bei bestehender Interessenkollision sei dem Kind ein "Verfahrenspfleger" zu bestellen.[31] Da es in diesem Zusammenhang um die ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung des Kindes geht, ist allerdings davon auszugehen, dass der BGH nicht den Verfahrenspfleger im Sinne des § 50 FGG – jetzt: Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG – gemeint hat, sondern einen Pfleger für das Verfahren, mithin einen Ergänzungspfleger. Dafür spricht auch, dass ein Verfahrensbeistand erst nach Einleitung des Verfahrens bestellt werden kann, also selbst ein solches nicht anhängig machen kann. Die BGH-Rechtsprechung betraf außerdem das alte Recht und kann nicht auf die neue Rechtslage übertragen werden.[32]

 

Rz. 12

Soweit es im Zusammenhang mit der Umsetzung eines bereits gerichtlich geregelten Umgangsrechts zu Problemen kommt, besteht die Möglichkeit der Einleitung eines Vermittlungsver­fahrens gemäß § 165 FamFG (zum Vermittlungsverfahren siehe im Einzelnen Rdn 248 ff.; Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 34). In dem dann zu bestimmenden Termin zur mündlichen Anhörung sollen die Eltern auf die Folgen hingewiesen werden, die sich bei Unterbleiben des Umgangskontaktes zu Lasten des Kindes ergeben, aber auch auf die Rechtsfolgen für den Elternteil, der das Umgangsrecht erschwert oder vereitelt. Dies betrifft sowohl eine Verweigerungshaltung des umgangsberechtigten Elternteils als auch eine solche des Elternteils, der den Umgang gewähren muss. Beide Elternteile sind auf die Ordnungsmittel hinzuweisen, die nach § 89 FamFG verhängt werden können. Diese sind wirksamer als die früher in § 33 FGG vorgesehenen Zwangsmittel (siehe dazu § 6 Rdn 1).

[20] Dazu eingehend Horndasch, Das Recht des Kindes auf Umgang, FPR 2012, 208.
[21] BVerfG FamRZ 2008, 845; Anm. Völker, FamRB 2008, 174; Anm. Clausius, jurisPR-FamR 14/2008, Anm. 1; Zempel, AnwZert FamR 9/2008 Anm. 3.
[23] Rauscher, FamRZ 1998, 329; Finke, FF 2001 115.
[24] Dt.: toter Buchstabe.
[25] Kraeft, FPR 2002, 611.
[26] BT-Drucks 13/4899, S. 68.
[27] Mitrega, FPR 1999, 212; Radke/Gewinner, F...

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