Rz. 53

Bedarf es einer familiengerichtlichen Regelung zum Umgangsrecht, da sich die Eltern hierüber außergerichtlich nicht verständigen konnten, so hat das Gericht in seine Entscheidung sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Kindeswohl und die Individualität des Kindes als Grundrechtsträger einzubeziehen; wobei oberster Maßstab jeder zu treffenden Entscheidung das Kindeswohl ist.[199] In der Umgangsregelung muss – von Amts wegen – Niederschlag finden, dass § 1684 Abs. 1 BGB zur Wahrnehmung des Umgangs nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Nach Maßgabe dessen ist die Folgenankündigung nach § 89 Abs. 2 FamFG auch auf den Umgangsberechtigten zu erstrecken (vgl. dazu § 6 Rdn 37).[200]

 

Rz. 54

In welcher Art und Weise das Gericht die Tatsachen im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlung (§ 26 FamFG) feststellt, unterliegt seinem Ermessen. Dazu gehört auch die Ausgestaltung des Anhörungstermins.[201] Etwaige Anträge der Eltern sind für das Gericht nicht bindend, sondern bloße Anregungen.[202] Da § 1684 BGB keinen eigenen Maßstab besitzt, ist für die Präzisierung des Begriffs Kindeswohl auf § 1697a BGB zurückzugreifen.[203] Dem Gericht kommt dabei die Aufgabe zu, auf den jeweiligen Einzelfall bezogen die bestmögliche Lösung[204] zu finden, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. im Einzelnen Rdn 64 ff.). Allerdings darf die Regelung nicht allein vom Willen des Kindes abhängig gemacht werden.[205] Zu Ermittlungen ins Blaue hinein ist das Gericht nicht verpflichtet.[206]

 

Rz. 55

Um das Streitpotential der Eltern zu minimieren, bedarf es einer dem Konkretheitsgebot genügenden, hinreichend bestimmten Umgangsregelung (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 18 ff. sowie Rdn 57 f.).[207] Dies erfordert, dass die Bedingungen, unter denen das Umgangsrecht auszuüben ist, im Einzelnen so vollständig festgelegt werden, wie es die Streitpotentiale der Eltern erforderlich machen. Jede gerichtliche Entscheidung über das Umgangsrecht muss daher grundsätzlich eine konkrete, einheitliche Regelung treffen,[208] vollzugsfähig sein und ggf. vollstreckt werden können.[209] Ob dieses Konkretheitsgebots muss der Umgang vom Gericht genau und erschöpfend nach Art, Ort und Zeit geregelt werden (siehe Rdn 60 und im Einzelnen – auch mit Formulierungsbeispielen – siehe § 6 Rdn 16 ff.).[210]

Für eine Einzelfallregelung in diesem Sinn ist es nicht ausreichend, dass lediglich auf "vergleichbare Fälle" oder die "Spruchpraxis des Gerichts" Bezug genommen wird.[211]

 

Rz. 56

Da das Umgangsrecht für die Entwicklung des Kindes bedeutsam ist, liegt dessen Umsetzung auch im Interesse der Eltern,[212] selbst wenn sie widerstreitende Anträge im gerichtlichen Verfahren gestellt haben.[213] Eine gerichtliche Bindung an Bestimmungen des personensorgeberechtigten Elternteils besteht ohnehin nicht.

[199] BVerfGE 56, 363; BVerfG FamRZ 1999, 85; BGH FamRZ 1994,158.
[200] BGH FamRZ 2011, 1729; OLG Saarbrücken ZKJ 2012, 118 und FamRZ 2011, 826; vgl. auch BGH FF 2012, 67, dort Rn 28: "die Eltern".
[201] Weisbrod, Kind-Prax 2000, 9.
[202] Siehe dazu etwa OLG Nürnberg FamRZ 2016, 251.
[203] OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1859; KG FamRZ 1999, 1518; Oelkers, ZfJ 1999, 263.
[204] Manchmal wäre es ehrlicher, von der am wenigsten schlechten Lösung zu sprechen.
[205] OLG Brandenburg FamRZ 2002, 974.
[207] OLG Brandenburg FamRZ 2002, 974.
[208] BVerfG FamRZ 2006, 1005; 2005, 1815; BGH FamRZ 1994, 158.
[210] BGH, Beschl. v. 3.8.2016 – XII ZB 86/15, juris; BGH FF 2012, 67.
[211] EuGHMR NJW 1991, 2199; BVerfG FamRZ 2009, 189; 2008, 494; 2007, 1078; 1993, 662.
[212] OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 687.
[213] OLG Hamburg FamRZ 1996, 676; OLG Thüringen FamRZ 1996, 359.

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