Rz. 215

Für die Einleitung eines Umgangsrechtsverfahrens bedarf es nach dem klaren Wortlaut von § 1684 Abs. 3, 4 BGB keines Antrags, sodass das Familiengericht von Amts wegen sowohl ein Hauptsache- als auch ein EA-Verfahren einleiten kann,[814] wenngleich dies praktisch eher selten vorkommen mag. Dies gilt nicht nur für das Umgangsrecht nach § 1684 Abs. 1 BGB, sondern auch für die Umgangsrechte nach § 1685 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (siehe § 1685 Abs. 3 S. 1 BGB). Nach Maßgabe dessen kann auch ein Umgangsantrag nach § 1685 BGB nicht zurückgewiesen werden, sondern muss ggf. ein Umgangsausschluss tituliert werden.[815] Leitet das Familiengericht trotz eines Antrags eines Umgangsberechtigten in diesen Verfahren kein Verfahren ein, so ist die ablehnende Entscheidung als Endentscheidung nach §§ 58 ff. mit der Beschwerde anfechtbar.[816] Das Umgangsrechtsverfahren nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB wird hingegen gemäß dem eindeutigen Wortlaut von § 167a Abs. 1 FamFG nur auf Antrag eingeleitet, so dass u.a. für ein Tätigwerden des Gerichts gemäß § 14 Abs. 3 i.V.m. § 21 FamGKG zunächst ein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen oder ein Verfahrenskostenhilfeantrag zu stellen ist.[817]

 

Rz. 216

Als eine dem FamFG unterliegende Kindschaftssache ist für ein Umgangsrechtsverfahren ein bestimmter Antrag oder ein den Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechender Antrag nicht erforderlich. Es genügt, wenn sich aus den schriftsätzlichen Ausführungen zuverlässig entnehmen lässt, welche Person eine Erklärung welchen Inhaltes abgibt.[818] § 23 FamFG, der die Anforderungen an die Antragsschrift näher präzisiert – Begründung, Benennung der Beweismittel und in Betracht kommende Beteiligten, Vorlage in Bezug genommener Urkunden und Unterschrift – ist eine bloße Sollvorschrift. In den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit reduziert sich ein Antrag auf eine bloße Anregung.[819] In Abgrenzung zum ZPO-Verfahren kann eine bestimmte Art des gerichtlichen Vorgehens nicht erzwungen werden.

 

Rz. 217

Gleiche Erwägungen gelten auch für die Beschwerde; auch diese muss nicht mit einem bestimmten Antrag verbunden sein. Es genügt die Darlegung des Rechtsmittelführers, zu welchem Verfahrensgegenstand er eine Regelung erstrebt (arg. § 65 Abs. 1 FamFG, bloße Sollvorschrift).

 

Rz. 218

Wird in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein bestimmter Antrag formuliert, so hat dieser nicht die Bedeutung eines Sachantrages wie bei § 308 ZPO. An einen solchen Antrag eines Beteiligten ist das Gericht nicht gebunden.[820] Es können seinerseits abweichende Entscheidungen getroffen werden. Maßstab der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung ist allein das Kindeswohl. Will das Gericht einem Antrag nicht entsprechen, so darf es daher eine andere Regelung nicht bereits deshalb außer Betracht lassen, weil sie förmlich nicht beantragt wurde.[821] Insbesondere gilt im Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht (siehe dazu § 9 Rdn 6).

[814] OLG Brandenburg FamRZ 2014, 2019; OLG Celle ZKJ 2011, 433; OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1991; 2014, 53; OLG Celle ZKJ 2011, 433; Schulz/Hauß/Hüßtege, HK-FamR, § 1684 Rn 26; zum Antrag auf Verpflichtung des umgangsunwilligen Elternteils zur Umgangsausübung aber BGH FamRZ 2008, 1334 (unechtes Amtsverfahren).
[815] OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1994 m.w.N.
[816] Vgl. – mutatis mtandis – OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1993 zum Abänderungsverfahren.
[817] Hammer, FamRB 2013, 298 m.w.N.
[818] OLG Frankfurt FamRZ 2003, 321.
[819] OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 114.
[821] OLG Thüringen FamRZ 1996, 359; BGH FamRZ 1994, 158.

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