Rz. 150

Jede Beschränkung oder sogar der gänzliche Ausschluss des Umgangsrechts stellt einen sehr intensiven Eingriff in das gemäß Art. 6 Abs. 2 GG garantierte Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils dar. Zugleich werden verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Kindes sowie des betreuenden Elternteils berührt. Die wechselseitigen Interessen der jeweiligen Grundrechtsträger sind daher gegeneinander abzuwägen und angemessen zu berücksichtigen.[563]

 

Rz. 151

Der Ausschluss des Umgangsrechts als schwerstmöglicher Eingriff in das Elternrecht ist nur dann als äußerste Maßnahme gerechtfertigt, wenn er am Kindeswohl orientiert erforderlich ist, weil eine akute Gefährdung der körperlichen oder geistig-seelischen Entwicklung des Kindes[564] abgewendet werden muss und hierzu keine anderen Mittel zur Verfügung stehen (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 24 ff.).[565] Der Umgangsausschluss ändert nichts an der Loyalitätspflicht des betreuenden Elternteils aus § 1684 Abs. 2 BGB; diese intensiviert sich vielmehr häufig dahin, verstärkt an einer Wiederermöglichung des Umgangs zu arbeiten.[566] Entsprechend sollte das Gericht im Falle eines Umgangsausschlusses erwägen, flankierende Maßnahmen (z.B. Kindertherapie, Informationen an den anderen Elternteil, Maßnahmen zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz) anzuordnen.[567]

 

Rz. 152

Der völlige Ausschluss des Umgangs ist daher nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen.[568] Zu denken ist hierbei etwa an eine Traumatisierung des Kindes,[569] einen nur mit Ordnungsmitteln durchzusetzenden Umgangskontakt, der mit einer Gefährdung des Kindes einhergeht,[570] eine physische Gefährdung oder eine seelische Schädigung des Kindes trotz begleitetem Umgang und Umgangspflegschaft (zu Letzterer eingehend siehe Rdn 39).[571] Bloße Unsicherheiten oder Bedenken des betreuenden Elternteils können eine solche Maßnahme niemals rechtfertigen,[572] ebenso wenig wie dessen bloße ablehnende Haltung gegenüber den Umgangskontakten.[573] Eine Gefahr für Leib und Leben – des in einem Programm für Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene befindlichen – betreuenden Elternteils kann aber einen Umgangsausschluss tragen, wenn und weil der Ungangsberechtigte durch den Umgang dessen Aufenthaltsort in Erfahrung bringen könnte.[574]

 

Rz. 153

Kann den Umgangsproblemen mit gleich geeigneten milderen Mitteln begegnet werden, etwa durch eine Einschränkung des Umgangsrechts, so ist diese Maßnahme dem völligen Ausschluss gegenüber vorrangig.[575] Zu denken ist insoweit etwa an eine Umgangspflegschaft (siehe Rdn 39), einen begleiteten Umgang (vgl. dazu Rdn 185 ff.),[576] insbesondere wenn dieser sich in der Vergangenheit bereits bewährt hat,[577] oder an die zeitliche oder sachliche Aussetzung des Vollzugs des Umgangs oder sonstige geeignete Maßnahmen. In Betracht kommt auch eine Beschränkung des Umgangs auf das Inland, um einer Entführungsgefahr zu begegnen (siehe dazu eingehend Rdn 164 f.),[578] die Passhinterlegung,[579] der Ausschluss gefährlicher Haustiere[580] oder auch nur die gerichtliche Zurechtweisung eines Elternteils.[581]

 

Rz. 154

Zur angemessenen Entscheidung einer solchen Sachverhaltskonstellation wird sich das Gericht in der Regel sachverständig beraten lassen müssen.[582] Im Einzelfall, insbesondere bei älteren Kindern, kann von einer Begutachtung abgesehen werden, wenn das Gericht über eine sonstige zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügt.[583] Über die Einschränkung oder den Ausschluss des Umgangsrechts darf nur in einem Verfahren nach § 1684 Abs. 3, 4 BGB entschieden werden. Sie dürfen nicht allein in einem Verfahren betreffend die Entziehung der Personensorge thematisiert werden, da sich Umgangsrecht und Personensorge als selbstständige Rechte gegenüber stehen.[584] Zudem hat der EuGHMR unter Berufung auf Art. 8 Abs. 1 EMRK klargestellt, dass jede Beschränkung oder sogar der Ausschluss des Umgangsrechts mindestens einmal jährlich überprüft werden muss. Eine längere Frist ist nur dann menschenrechtskonform, wenn sachverständig festgestellt worden ist, dass durch die gerichtliche Überprüfung selbst eine Kindeswohlgefährdung zu befürchten ist.[585] Das bedeutet im Ergebnis nicht nur eine grundsätzliche Pflicht zur Überprüfung des Umgangsausschlusses nach einem Jahr (Grundlage: § 166 Abs. 2 FamFG, siehe dazu § 3 Rdn 32), sondern wird wohl überhaupt die Anordnung eines Umgangsausschlusses von länger als einem Jahr nur in absoluten Ausnahmefällen ermöglichen.[586] Denn der Umgangsausschluss soll gerade eine Antragstellung des Umgangsberechtigten vor Fristablauf verhindern.[587]

 

Rz. 155

Ordnet das Gericht einen Umgangsausschluss – egal, ob mit oder ohne ausdrückliche Verbindung mit einem Näherungsverbot – an, so ist dies mit der Folgenankündigung nach § 89 Abs. 2 FamFG zu verbinden, da auch der Umgangsausschluss eine – wenngleich negative – Umgangsregelung darstellt, zumal ansonsten ein Umgangsausschluss, der gerade dem Schutz des Kindes vor einer Gefährdung dienen soll, nicht ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge