Rz. 175

Auch einem in längerer Strafhaft befindlichen umgangsberechtigten Elternteil kann der Umgangskontakt nicht versagt werden. Ein begleiteter Umgang in der JVA muss durch den Staat organisatorisch ermöglicht werden.[671] Eine Erweiterung der Besuchszeit darf insbesondere nicht mit Berufung auf die geringen Interaktionsmöglichkeiten eines noch sehr kleinen Kindes versagt werden.[672] Wird allerdings das Kindeswohl anlässlich eines Besuches in der Haftanstalt durch nachhaltige Eindrücke gefährdet,[673] so kann gegebenenfalls ein Ausschluss in Betracht kommen, soweit der Kontakt nicht in anderen Räumlichkeiten durchgeführt werden kann, wie etwa während eines Hafturlaubes.[674] Allerdings wird der Umgang regelmäßig in hierfür geeigneten Räumen der JVA ermöglicht werden können.[675] Anders wird die Sachlage meist sein, wenn der inhaftierte Elternteil Umgang mit seinem Kind begehrt, dessen Mutter er zuvor vorsätzlich getötet hat, wobei dies dennoch im Einzelfall, so etwa bei einem kleinen Kind, das die Tötung selbst nicht miterlebt hat, Anlass zu sachverständiger Klärung geben kann.[676]

 

Rz. 176

Die Anwesenheit eines neuen Partners des Umgangsberechtigten, auch wenn diese oder dieser zum Scheitern der Ehe beigetragen hat, rechtfertigt grundsätzlich keine Einschränkung des Umgangsrechts.[677] Gegebenenfalls sollte jedoch – zumindest in der ersten Trennungszeit – eine gewisse Zurückhaltung geübt werden.[678] Ein Ausschluss ist möglicherweise aber in Erwägung zu ziehen, wenn sich der Partner okkulter Fähigkeiten berühmt[679] und versucht, das Kind gegen den Willen des betreuenden Elternteils in seine Aktivitäten einzubeziehen. Ebenso ist die Lage, wenn der neue Partner den betreuenden Elternteil aus seiner Elternrolle völlig zu verdrängen und an seine Stelle zu treten versucht, indem er diesen vor dem Kind massiv herabwürdigt.[680]

 

Rz. 177

Dient die Unterhaltung des Umgangskontaktes allein eigensinnigen, mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbarenden Motiven, so kann ein Ausschluss gerechtfertigt sein. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Umgangsberechtigte tatsächlich überhaupt nicht an der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der familiären Bande zu seinem Kind interessiert ist[681] oder er das Umgangsrecht lediglich nutzt, um das Sorgerecht des anderen Elternteils auszuhöhlen, in der Absicht, selbst die elterliche Sorge zu erhalten.[682] Solche Fälle sind allerdings selten, weil dahingehende Absichten kaum nachweisbar sind.

 

Rz. 178

Die Prostitution der umgangsberechtigten Mutter steht dem Umgangskontakt nicht entgegen, wenn und weil – freilich bei Ausübung in Abwesenheit des Kindes – nicht von einer Gefährdung des Kindes auszugehen ist.

Will das Gericht eine Umgangseinschränkung auf Vorbringen des Jugendamts stützen, der Umgangsberechtigte sei alkoholabhängig und fahre mit dem Kind in alkoholisiertem Zustand Auto, bestreitet aber der Umgangsberechtigte dies, so muss das Gericht die Richtigkeit der Behauptung klären; dies gilt umso mehr, wenn im Haushalt des Umgangsberechtigten – von der Jugendhilfe unbeanstandet – andere Kinder leben.[683] Mit Blick auf § 30 Abs. 3 FamFG ist hier zur Alkoholabhängigkeit Strengbeweis zu erheben.

Steht allerdings die Gefahr der Gewaltausübung, vor allem gegenüber dem Kind, aber auch der Mutter in Rede, sollte ein Umgang eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.[684] Dies gilt erst recht, wenn es bereits zu Übergriffen gekommen ist und aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Kindes bei unbeschränkter Ausübung pathologische Störungen zu befürchten sind.[685]

 

Rz. 179

Ein begleiteter Umgangskontakt kommt auch nicht mit dem Ziel in Betracht, zu verhindern, dass der leibliche Vater das Kind über seine tatsächliche Abstammung zu einem verfrühten Zeitpunkt informiert, wenn das Kind etwa seine Großeltern für seine tatsächlichen Eltern hält.[686] Hier zeigt sich, dass es für Kinder besser ist, sie möglichst frühzeitig über die Existenz eines vom rechtlichen Vater verschiedenen leiblichen Vaters aufzuklären. Je kleiner das Kind ist, desto selbstverständlicher kann es in der Regel mit dieser Wahrheit aufwachsen.

[671] BVerfG FamRZ 2008, 246; Anm. Völker, FamRB 2008, 102.
[672] BVerfG FamRZ 2006, 1822; Anm. Völker, jurisPR-FamR 5/2007, Anm. 1.
[673] OLG Hamm FamRZ 2003, 951; FamRZ 1980, 481.
[674] BGH FamRZ 1984, 1084.
[675] AG Bergen FamRZ 2015, 425.
[676] OLG Celle NZFam 2016, 92 [Rechtsbeschwerde zugelassen].
[677] Oelkers, FamRZ 1995, 451.
[678] OLG Nürnberg FamRZ 1998, 976; OLG Köln FamRZ 1982, 1236.
[679] OLG Schleswig NJW 1985, 1786.
[680] Vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.10.2013 – 6 UF 122/13 (n.v.).
[681] OLG Hamm FamRZ 1997, 693.
[682] KG FamRZ 1980, 399.
[683] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.1.2015 – 6 UF 139/14 und 141/14 (n.v.).
[684] Vgl. auch Ehinger, FPR 2001, 280; Krüger, Gewaltschutz und Umgang, NZFam 2016, 294; Funk/Osten/Scharl/Schmid/Stotz, Familiengerichtliches Kindschaftsverfahren bei häuslicher Gewalt, FamRB 2016, 282; zu den psychischen Folgen häuslicher Gewalt für Kinder siehe Becke...

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