Rz. 48

Lässt sich der sorgeberechtigte Elternteil von Ordnungsmitteln nicht in seinem Handeln beeinflussen, so kann das schwerwiegende Zweifel an seiner Erziehungseignung begründen.[185] In diesem Fall liegt es sehr nahe, die bestehende Sorgerechtsentscheidung im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 1696 Abs. 1 BGB zu überprüfen, wobei das Familiengericht von Amts wegen einschreiten muss, sollte der umgangsberechtigte Elternteil nicht bereits von sich aus einen entsprechenden Antrag eingereicht haben.

 

Rz. 49

Die mit einem solchen Abänderungsverfahren verbundenen Maßnahmen stellen jeweils einen Eingriff in das Elternrecht dar, soweit ein partieller oder vollständiger Entzug der elterlichen Sorge in Rede steht.[186] Wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird regelmäßig zunächst zu prüfen sein, ob die Anordnung einer Umgangspflegschaft (vgl. im Einzelnen Rdn 39 ff.) ausreicht, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Zeitraum der – zuvor festgelegten – Umgangskontakte zu übertragen ist.[187] Eine solche Vorgehensweise ist allerdings nur dann angezeigt, wenn erwartet werden kann, dass hierdurch eine Durchsetzung des Umgangs erreicht werden kann. Bei einer nachhaltigen fortdauernden Verweigerungshaltung des Sorgeberechtigten kann vom Erfolg einer solchen Maßnahme nicht ausgegangen werden. Zwar hat der Umgangspfleger die Möglichkeit, das Kind herauszuverlangen, um es im Rahmen der festgesetzten Besuchszeiten dem berechtigten Elternteil zuzuführen (§ 1684 Abs. 3 S. 4 BGB), doch ist auch der Pfleger auf die Vollstreckung der Umgangsregelung angewiesen.

 

Rz. 50

Gelangt man im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Kindeswohlkriterien zu dem Ergebnis, das die Abänderung der Sorgerechtsregelung die für das Kind bessere Lösung darstellt, so kann der festgestellte Mangel der Erziehungseignung die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil rechtfertigen.[188] Das gilt auch dann, wenn dieser Elternteil die Betreuung des Kindes teilweise nur mit Hilfe Dritter sicherstellen kann. In die Abwägung einzubeziehen ist einerseits die Aufrechterhaltung der bisherigen Sorgerechtsregelung mit der Folge, dass das Kind auch weiterhin ohne Kontakt zum anderen Elternteil aufwächst, und andererseits die Übertragung der elterlichen Sorge auf den umgangsberechtigten Elternteil mit Blick auf die Vorgabe, dass für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes ein regelmäßiger Kontakt zum anderen Elternteil notwendig ist. Hierbei kann sich herausstellen, dass die Gefahr, die von der bisherigen Erziehung ausgeht, für die Entwicklung des Kindes insgesamt – mittel- bis langfristig – schwerwiegender ist als mögliche Nachteile im äußeren Umfeld und die meist nicht unerhebliche, aber eher kurzfristige Belastung des Kindes, die mit der Übersiedlung in den Haushalt des anderen Elternteils verbunden sein kann.[189] Bei der zu treffenden Entscheidung hat der Kontinuitätsgrundsatz ebenso zurückzutreten wie eine im Übrigen bestehende Erziehungseignung.[190] Andererseits gibt es auch Fälle, in denen der fortdauernde Kontaktabbruch zum anderen Elternteil wegen des all überstrahlenden Kindeswohls hinzunehmen sein wird. Dies wird bei einem konstant ablehnenden und nachvollziehbar geäußerten Willen des älteren Kindes (vgl. § 1 Rdn 304 ff.)[191] und kumulativ oder alternativ dann, wenn sich das Kind ohne den Umgang insgesamt positiv entwickelt – gute soziale Eingliederung und schulische Leistungen – und der Sorgerechtswechsel mit letztlich nicht mehr vertretbaren Risiken für das Kind verbunden wäre, zu bejahen sein. Die Einholung eines ­familienpsychologischen Sachverständigengutachtens ist in solchen Fällen regelmäßig erfor­derlich.

Schließlich kann die fortgesetzte schuldhafte Vereitelung des Umgangsrechts ggf. auch zu – dem betreuenden Elternteil nachteiligen – unterhaltsrechtlichen Konsequenzen nach § 1579 BGB führen.[192]

[186] OLG Düsseldorf FuR 2005, 563; OLG Frankfurt FamRZ 2005, 1700.
[187] BVerfG FamRZ 2014, 1772; OLG Dresden FamRZ 2002, 1588; OLG Frankfurt FamRZ 2000, 1240.
[188] Vgl. etwa AG München FamFR 2010, 22 m. Anm. Rixe.
[189] BGH NJW-RR 1986, 1264; OLG Hamm FamRZ 1993, 1233.
[190] OLG München FamRZ 1991, 1343.
[191] BVerfG FamRZ 2005, 1057; 2001, 1057 sowie – zum Sorgerecht – FamRZ 2008, 1737.
[192] BGH FamRZ 1987, 356; OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 884; OLG München FamRZ 2006, 1605; OLG Schleswig Kind-Prax 2003, 28; OLG Brandenburg FamRB 2011, 168.

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