Rz. 38

Werden grundlos und über einen längeren Zeitraum hinweg gerichtlich angeordnete Umgangskontakte vereitelt, so begründet dies in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls. Der vereitelnde Elternteil nutzt dann widerrechtlich die ihm eingeräumten Befugnisse auch zum Nachteil des Kindes aus. Er versagt damit in einem Teil seiner Sorgepflichten.[111] Diesem Versagen muss das Gericht durch geeignete Maßnahmen entgegensteuern.[112] Insoweit kommen die Vollstreckung der Umgangsregelung (siehe dazu § 6 Rdn 30 ff.), die Bestellung eines Umgangspflegers (siehe dazu Rdn 39 ff.), eine Änderung der Sorgerechtsregelung (siehe dazu § 3) und – in Ausnahmefällen – Maßnahmen nach § 1666 ff. BGB (siehe dazu § 1 Rdn 178 ff.) in Betracht.

[112] OLG Braunschweig FamRZ 1999, 185.

a) Umgangspflegschaft

 

Rz. 39

Durch Art. 50 Nr. 28 und 29 FGG-RG wurden die §§ 1684 Abs. 3 und 1685 Abs. 3 BGB neugefasst und die bereits zuvor anerkannte, aber allein auf § 1666 BGB gestützte Umgangspflegschaft normiert.[113] Der Weg über eine Umgangsbestimmungspflegschaft ist nunmehr zutreffender Auffassung zufolge nicht mehr gangbar (siehe dazu eingehend § 4 Rdn 16).

Verletzt ein Elternteil dauerhaft oder wiederholt in erheblichem Ausmaß seine § 1684 Abs. 2 BGB entspringende Wohlverhaltenspflicht, so kann das Familiengericht nach § 1684 Abs. 3 BGB eine Umgangspflegschaft anordnen. Die Anordnung ist nach § 1684 Abs. 3 S. 5 BGB zu befristen.[114] Eine erneute Anordnung bzw. Verlängerung ist aber möglich.[115] Die Anordnung einer Umgangspflegschaft sowie die Verlängerung einer befristeten Umgangspflegschaft sind dem Richter ­vorbehalten (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 RPflG); der Rechtspfleger ist funktionell unzuständig.[116] Ein Beschluss des Rechtspflegers, der nach Fristablauf die Beendigung der Umgangspflegschaft feststellt, hat lediglich deklaratorische Bedeutung und ist daher nicht anfechtbar.[117]

Die Anordnung der Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB soll die Fälle erfassen, in denen der betreuende Elternteil das Umgangsrecht des anderen Elternteils in erheblicher Weise vereitelt.[118] Zu diesem Zweck ist die Eingriffsschwelle im Vergleich zum vor dem 1.9.2009 geltenden Recht in den Fällen spürbar abgesenkt worden, in denen es um die Durchsetzung des Umgangsrechts des nicht betreuenden Elternteils geht. Eine Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB durch das Ausbleiben von Umgangskontakten muss jetzt nur noch dann vorliegen, wenn ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 und 2 BGB oder § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB durchgesetzt werden soll (siehe § 1685 Abs. 3 S. 2 BGB bzw. § 1686a Abs. 2 S. 2 BGB). Auf diese Differenzierung ist allerdings zu achten; die Voraussetzungen der Anordnung einer Umgangspflegschaft können zwischen Halbgeschwistern verschieden sein.[119] Auch wenn die Umgangspflegschaft an die Wohlverhaltenspflicht in § 1684 Abs. 2 BGB angebunden ist – die jeden Elternteil (be-)trifft – ist die Anordnung einer Umgangspflegschaft nicht möglich, wenn der umgangsberechtigte Elternteil diese Pflicht verletzt,[120] indem er etwa ständig unpünktlich ist. Dem kann nicht durch einen Eingriff in das Sorgerecht des betreuenden Elternteils entgegengewirkt werden. Dies wäre auch unverhältnismäßig, weil als milderes und sicher kaum weniger geeignetes Mittel die Vollstreckung des Umgangstitels gegen den unzuverlässigen Umgangsberechtigten möglich ist (siehe dazu eingehend § 6 Rdn 37). Anstelle der Vollstreckung kann in solchen Fällen auch nicht einfach der Umgang des Umgangsberechtigten ausgeschlossen werden.[121]

 

Rz. 40

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 26.10.2011[122] – inzident – zutreffend zu erkennen gegeben, dass diese Absenkung der Eingriffsschwelle verfassungsgemäß ist; folgerichtig spricht der BGH in dieser Entscheidung auch vom Erfordernis einer "Kindeswohlbeeinträchtigung" (nicht: -gefährdung). Die teilweise zuvor in der Literatur hinsichtlich der niedrigeren Eingriffsvoraussetzungen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken[123] sind nicht berechtigt. Zwar bedeutet die Anordnung der Umgangspflegschaft einen teilweisen Sorgerechtsentzug (siehe hierzu auch nachfolgend), mithin einen recht intensiven Eingriff in das Elternrecht des betreuenden Elternteils. Grundrechtsdogmatisch betrachtet wird aber nicht in den Vorrang der Eltern als Erziehungsträger eingegriffen, sondern erfolgt der Eingriff nur, um in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die Grundrechtspositionen der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu einem bestmöglichen Ausgleich zu bringen.[124] Der Staat wird hier lediglich vermittelnd zwischen den Eltern, nicht jedoch wie bei der Entziehung des Sorgerechts wegen einer Kindeswohlgefährdung von außen eingreifend tätig.[125] Rein praktisch sollte auch nicht verkannt werden, dass der sorgeberechtigte Elternteil zur Überlassung des Ki...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge