Rz. 116

§ 1685 Abs. 1 BGB erfasst – nur – Großeltern[429] und Geschwister. Bei diesen wurde auf die in § 1685 Abs. 2 BGB für ein Umgangsrecht vorausgesetzte sozial-familiäre Beziehung verzichtet, weil davon ausgegangen wurde, dass Großeltern und Geschwister dem Kind regelmäßig nahestehen, jedenfalls aber der Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung zwischen diesen und dem Kind grundsätzlich im Kindesinteresse liegt. Sie haben daher keinen gesonderten Nachweis für ihre Stellung als Bezugsperson zu erbringen.[430] Ihr Umgangsanspruch gründet allein auf dem engen Verwandtschaftsgrad.

 

Rz. 117

Gerade im Verhältnis zu Geschwisterkindern muss darauf geachtet werden, dass es durch die Umgangsregelung zugunsten eines Elternteiles nicht zu einer Entfremdung der Geschwister kommt, etwa wenn ein Kind im Haushalt der Mutter und das andere Kind im Haushalt des Vaters lebt. In diesen Fällen muss sichergestellt werden, dass sich die Kinder auch regelmäßig bei einem Elternteil treffen. Der EuGHMR hat in einer diesen Voraussetzungen nicht gerecht werdenden Umgangsregelung zutreffend eine Verletzung des Rechts eines Elternteiles und des bei ihm lebenden Kindes auf Schutz des Familienlebens (Art. 8 EMRK) gesehen.[431] Dasselbe Problem stellt sich bei der getrennten Unterbringung von Geschwistern in verschiedenen Pflegefamilien.[432]

 

Rz. 118

Bei der Bestimmung von Großeltern und Geschwistern gilt der Verwandtenbegriff des § 1589 BGB. Dies bedeutet, dass nur die gesetzlichen Großeltern[433] und bei den Geschwistern die vollbürtigen ebenso wie die halbbürtigen, einschließlich der durch Adoption hinzugewonnenen Geschwisterteile erfasst sind. Lediglich angeheiratete "Großeltern" werden daher nicht von § 1685 Abs. 1 BGB erfasst, sondern allenfalls von § 1685 Abs. 2 BGB.[434] Wird von zwei leiblichen Geschwistern eines adoptiert, so erlischt nach § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB das wechselseitige Umgangsrecht aus § 1685 Abs. 1 BGB. Aus § 1685 Abs. 2 BGB kann – außer in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen – kein wechselseitiges Umgangsrecht hergeleitet werden, weil es meist am tatsächlichen Tragen von Verantwortung fehlen wird.[435] Ein Umgangsrecht kann dann nur § 1666 BGB entspringen.[436]

 

Rz. 119

Die von § 1685 Abs. 1 BGB nicht erfassten Cousins und Cousinen, der neue Ehegatte eines Großelternteils oder auch Onkel und Tanten können ihren Umgangsanspruch ggf. auf § 1685 Abs. 2 BGB gründen.

 

Rz. 120

Hinsichtlich der Feststellungslast für die Kindeswohldienlichkeit ist zu differenzieren; wobei diese stets nach § 26 FamFG von Amts wegen zu ermitteln ist.[437] Bestehen bereits Bindungen des Kindes zu der Bezugsperson, ist im Falle eines non liquet von der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs auszugehen, weil § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB hiervon als Regelfall ausgeht.[438] Gibt es solche Bindungen noch nicht – was häufiger bei Großeltern möglich ist – so greift diese (widerlegbare) Vermutung nicht mit der Folge, dass die Bezugsperson feststellungsbelastet ist.[439] Wird die Kindeswohldienlichkeit dann festgestellt, so kommt ein Umgangsrecht auch für Großeltern in Betracht, die ihr Enkelkind noch nicht kennen.[440] Etwaige massive Spannungen zwischen den Eltern und Großeltern können dem Kindeswohl entgegenstehen, zumal das Kind hierdurch in einen Loyalitätskonflikt geraten kann.[441] Das Erziehungsrecht des Sorgeberechtigten hat grundsätzlich Vorrang.[442] Gerade weil das Umgangsrecht von Großeltern ein treuhänderisches und dienendes Recht ist,[443] hängt es stark davon ab, dass diese den Erziehungsvorrang der Eltern respektieren.[444] Deshalb ist der Umgang dem Kind nicht dienlich, wenn die Großeltern einen Elternteil des Enkels für erziehungsunfähig halten und diese Überzeugung auch nach außen vertreten,[445] oder sich vor den Kindern über die Eltern missbilligend äußern.[446] Dient der Umgang hingegen dem Kindeswohl, so kann neben periodischen Umgangskontakten auch ein Ferienumgang in Betracht kommen.[447]

[429] Siehe dazu eingehend Kloster-Harz, Beteiligung der Großeltern in Kindschaftsverfahren, NZFam 2016, 529.
[430] KG FamRZ 2000, 1520; OLG Koblenz FamRZ 2000, 1111.
[431] EuGHMR FamRZ 2010, 1046 [Mustafa und Armagan Akin/Türkei].
[432] Siehe zu dieser Problematik ausführlich Völker/Eisenbeis/Düpre, ZKJ 2007, 5.
[434] OLG Koblenz FamRZ 2016, 391.
[435] OLG Dresden JAmt 2012, 37.
[436] OLG Dresden JAmt 2012, 37.
[437] Luthin, FamRZ 2005, 2011 zu § 12 FGG.
[438] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.1.2013 – 9 UF 397/12 (n.v.); Beschl. v. 28.1.2016 – 9 UF 56/15 (n.v.).; insoweit zutreffend Palandt/Götz, § 1685 Rn 3.
[439] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.1.2013 – 9 UF 397/12 (n.v.); dies nicht differenzierend Palandt/Götz, § 1685 Rn 3; wohl auch OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1991; FamRZ 2014,1717; OLG Naumburg FamRZ 2008, 915.
[440] OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1991; Kloster-Harz, NZFam 2016, 529, 530.
[441] OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1991; OLG Dresden FamRZ 2010, 310; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 915; AG Kulmbach FamRZ 2007, 850; OLG Saarbrücken, Besc...

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