Rz. 12

21 Jahre nach Erlass des Nichtehelichengesetzes war das Bundesverfassungsgericht mit folgendem Fall befasst:

Mutter und Vater eines Kindes lebten vor und nach der Geburt des Kindes zusammen, betreuten und erzogen das Kind gemeinsam. Nach der Geburt des Kindes beantragte die Mutter, die elterliche Sorge auf sie zu übertragen, die Amtspflegschaft also aufzuheben, zugleich erkannte der Vater die Vaterschaft an. Die Mutter erhielt das alleine Sorgerecht für das gemeinsame Kind. Nach neun Jahren beantragte der Vater, das Kind für ehelich erklären zu lassen und die elterliche Sorge auf sich und die Mutter gemeinsam zu übertragen.

Da eine Entscheidung dieses Inhalts von Gesetzes wegen nicht möglich war, legte das Vormundschaftsgericht das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.[12] Dieses entschied, dass die bestehende Gesetzeslage nicht mehr angemessen und zeitgemäß sei, zudem das nichteheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind benachteilige.

Zitat

"Bei Eltern nichtehelicher Kinder liegen allerdings andere Voraussetzungen vor als bei Eltern ehelicher Kinder. Da sie nicht durch die Ehe miteinander verbunden sind, kann der Gesetzgeber weder vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft noch davon ausgehen, dass Vater und Mutter die personale Verantwortung für das Kind gemeinsam übernehmen wollen und können. Er kann daher das nichteheliche Kind, das einen Anspruch darauf hat, dass seine personalen Verhältnisse geregelt sind, wenn es auf die Welt kommt, zunächst einem Elternteil zuordnen. Dabei lag es nahe, das Sorgerecht grundsätzlich der Mutter zu übertragen, weil zwischen ihr und dem Kind durch Schwangerschaft und Geburt bereits eine Beziehung entstanden und das Kleinstkind auf sie besonders angewiesen ist…. In Fällen, in denen ein Vater die Ehelicherklärung mit der Maßgabe beantragt, ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit der Mutter zu übertragen, und die Mutter diesem Antrag zustimmt, steht jedenfalls fest, dass ein Konflikt zwischen den Eltern, der einer staatlichen Schlichtung bedarf, nicht besteht… Leben Vater und Mutter zusammen und sind beide bereit und in der Lage, die Elternverantwortung zu übernehmen, so entspricht es regelmäßig dem Kindeswohl, wenn beiden Eltern das Sorgerecht zuerkannt wird… Ein nichteheliches Kind, dessen Eltern sich für eine freie Partnerschaft entschieden haben und eine Ehelicherklärung anstreben, wird regelmäßig benachteiligt. Entweder werden ihm die mit der Ehelicherklärung verbundenen rechtlichen Vorteile – insbesondere die volle erbrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Kindern im Verhältnis zum Vater und das Sorgerecht des Vaters – mit der Begründung vorenthalten, dass es nicht mit seinem Wohl vereinbar ist, wenn die Mutter das Sorgerecht verliert. Erfolgt aber die Ehelicherklärung, muss das Kind den Nachteil hinnehmen, dass die Mutter ihre Elternverantwortung nicht mehr voll wahrnehmen kann, weil ihr hierzu die rechtlichen Befugnisse fehlen… Das ist eine erhebliche Benachteiligung der nichtehelichen Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, weil ihre Bindungen zu beiden Elternteilen nicht rechtlich abgesichert werden und für den Fall der Trennung der Eltern eine am Kindeswohl ausgerichtete Einzelfallentscheidung über das Sorgerecht verhindert wird."[13]

 

Rz. 13

Reaktion des Gesetzgebers war das Kindschaftsreformgesetz aus dem Jahr 1998, das eine Änderung des Kindschaftsrechts zum 1.7.1998 zur Folge hatte. Wesentlich war die Neugestaltung des Abstammungsrechts. Sowohl für eheliche als auch für uneheliche Kinder wird dieses nunmehr in den §§ 1591 ff. BGB einheitlich geregelt. Nicht miteinander verheiratete Eltern hatten nunmehr die Möglichkeit, durch gemeinsame Erklärung die gemeinsame Sorge für das nichtehelich geborene Kind zu erhalten.[14] Konnten sich die Eltern über diese Frage nicht einigen, hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht. Es bestand die Möglichkeit einer gerichtlichen Regelung dahingehend, dass die alleinige Sorge dem anderen Elternteil übertragen werden konnte. Voraussetzung hierfür war aber eine Kindeswohlgefährdung.[15] Das nichteheliche Kind wurde im Streitfall zwischen den Eltern demnach wieder "nur" einem Elternteil zugeordnet. Der Vater konnte ohne Zustimmung der Mutter die elterliche Sorge nur im Gefährdungsfall alleine erhalten.[16] Waren sich die Eltern einig, übten sie also das Sorgerecht gemeinsam aus, dann sollte dieses auch nach Trennung weiterbestehen. Im Fall der gemeinsamen Sorge hatte, wie bei der Trennung von miteinander verheirateten Eltern, der Elternteil, in dessen Obhut das Kind sich befand, eine Alleinentscheidungsbefugnis in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens. Derjenige Elternteil, der mit dem Kind nicht (mehr) zusammenlebte, sollte ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben, auch wenn er nicht mit dem anderen Elternteil verheiratet war oder ist.[17]

 

Rz. 14

Welche Bedeutung hatte diese Gesetzesänderung für die nichteheliche Lebensgemeinschaft? Während noch in den Gesetzesbegründungen zum Nichtehelichengesetz vo...

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