Rz. 169

Regelmäßig handelt es sich bei dem Anwaltsvertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter, welcher nach §§ 675, 627 Abs. 1 BGB jederzeit gekündigt werden kann. Eines wichtigen Grundes bedarf es dafür grundsätzlich nicht. Gleiches gilt – da der Anwaltsvertrag aufgrund einer gegenseitigen Vertrauensstellung begründet wird – für Anwaltsverträge mit werkvertraglichem Charakter.

 

Rz. 170

 

Hinweis

Wurde der Rechtsanwalt allerdings durch einen gerichtlichen Beschluss dem Mandanten beigeordnet, so kann er lediglich beantragen,[206] dass seine einmal erfolgte Beiordnung aufgehoben wird, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen.[207]

 

Rz. 171

Allerdings darf die Kündigung dabei in Anwendung von § 627 Abs. 2 S. 1 BGB nicht zur Unzeit erfolgen, d.h. nicht zu einem Zeitpunkt, in dem es dem bisherigen Mandanten nicht mehr möglich ist, sich anderweitig anwaltlicher Hilfe zu bedienen. § 627 Abs. 2 S. 1 BGB findet Anwendung, weil § 675 Abs. 1 BGB nicht auf § 671 BGB verweist. Zur Unzeit darf danach nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden.

 

Rz. 172

 

Hinweis

Kündigt der Rechtsanwalt ohne wichtigen Grund zur Unzeit, so hat er dem Mandanten den daraus entstehenden Schaden nach § 627 Abs. 2 S. 2 BGB zu ersetzen.

 

Rz. 173

Als wichtiger Grund für eine Kündigung des Anwaltsvertrages kommen vielfältige Möglichkeiten in Betracht. Ein wesentlicher Grund für die Mandatsniederlegung kann zunächst die unterlassene Zahlung eines angeforderten Vorschusses nach § 9 RVG sein. Auch wenn der Rechtsanwalt mehrfach Zahlungsfrist gesetzt und Mandatsniederlegung angedroht und unter Hinweis auf die anwaltliche Sorgepflicht dem Mandanten mitgeteilt hat, der Mandant möge sich um anderweitige anwaltliche Vertretung kümmern, erfolgt die darauffolgende Mandatsniederlegung nicht zur Unzeit.[208]

 

Rz. 174

Daneben kommt einer deutlich gestörten Vertrauensbeziehung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten besondere Bedeutung zu. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Mandant dem Rechtsanwalt unbegründet vorwirft, er nehme seine Interessen nicht hinreichend wahr und berate ihn fehlerhaft. Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Vorwürfe mit der Androhung unbegründeter Regressforderungen einhergehen.

 

Rz. 175

Das Vertrauensverhältnis ist auch dann in einer die Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigenden Art und Weise gestört, wenn der Mandant einen anderen Rechtsanwalt beauftragt, ohne zuvor das Mandatsverhältnis beendet zu haben.

 

Rz. 176

Eine Mandatskündigung aus wichtigem Grund kommt ebenfalls in Betracht, wenn der Mandant den Rechtsanwalt bewusst fehlerhaft und unvollständig informiert und diesem damit die Möglichkeit nimmt, sich entsprechend seiner Stellung als selbstständiges Organ der Rechtspflege zu verhalten.

 

Rz. 177

 

Hinweis

Droht der Rechtsanwalt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Unzeit mit der Mandatsniederlegung, kann diese Drohung nicht gerechtfertigt bzw. rechtswidrig sein. Ob eine Drohung mit einer Mandatsniederlegung gerechtfertigt ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und den dazu eingesetzten Mitteln ab.[209] Ungerechtfertigt in diesem Sinne ist es, wenn der Rechtsanwalt kurz vor dem Verhandlungstermin einen an sich berechtigten Haftungsausschluss erreichen möchte oder einen berechtigten Vergütungswunsch durchsetzen will. Hierin kann eine rechtswidrige oder arglistige Drohung gesehen werden. Daran fehlt es nur dann, wenn dies den Mandanten nicht unvorbereitet trifft, z.B. weil die Honorarvereinbarung einige Zeit vorher angekündigt worden war.[210]

 

Rz. 178

Die Niederlegung des Mandates als Kündigung des Anwaltsvertrages ist gegenüber dem Mandanten zu erklären.[211]

 

Rz. 179

Das Kündigungsschreiben soll den wichtigen Grund dokumentieren. Dies gilt insbesondere, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Kündigung zur Unzeit vorliegt, d.h. wenn die Schadensersatzpflicht des § 627 Abs. 2 S. 2 BGB ausgeschlossen werden muss. Der Rechtsanwalt trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen, welche den wichtigen Grund gemäß § 627 Abs. 2 BGB begründen sollen.

 

Rz. 180

Der Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass den Mandanten das Kündigungsschreiben tatsächlich erreicht. Hierzu kann er auf vielfältige Möglichkeiten wie die förmliche Zustellung, die Übermittlung durch einen Boten oder per Telefax zurückgreifen. Einer besonderen Rücksichtnahme auf das Mandatsverhältnis wie noch bei dessen Begründung bedarf es nun nicht mehr.

 

Rz. 181

Betrifft die Mandatsniederlegung einen anhängigen Rechtsstreit, so ist sie auch gegenüber dem Prozessgericht anzuzeigen.[212]

 

Rz. 182

Handelt es sich bei dem anhängigen Rechtsstreit nicht um einen solchen, der nach § 78 ZPO dem Anwaltszwang unterliegt, führt die Mandatsniederlegung dazu, dass das Gericht den Schriftverkehr nunmehr unmittelbar mit dem bisherigen Mandanten führt und an diesen alle notwendigen Zustellungen zu veranlassen hat.

 

Rz. 183

 

Tipp

Beachtet das Gericht die Niederlegung des Mandates in dieser Weise nicht, so sollte das Gericht h...

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