Rz. 16

Bei tateinheitlich begangenen mehreren Zuwiderhandlungen wird nur gem. §4 Abs. 2 S. 2 StVG die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktezahl berücksichtigt. Es findet also keine Addition der einzelnen Verstöße statt.

 

Rz. 17

Liegen mehrere Straftaten oder Verkehrsordnungswidrigkeiten (gem. §20 OWiG) mit mehreren Sanktionen vor, sind die jeweiligen tatmehrheitlich begangenen Verstöße zu addieren.

Hierzu geben auch zwei Urteile des BGH aus dem Jahre 2014[7] Anlass. In der einen Entscheidung ging es darum, dass ein Angeklagter Betäubungsmittel nach Deutschland zum Gewinn bringenden Verkauf eingeführt hatte. Während der Fahrt musste er an einer roten Ampel anhalten, woraufhin ihn Polizeibeamte "zwecks Zugriffs" zu stellen versuchten. Hierauf entschloss sich der Angeklagte zur Flucht und fuhr unter Verletzung verschiedener weiterer Strafvorschriften davon. Die Frage, ob der Anhalteversuch der Polizei zu einer Tatmehrheit begründenden Zäsur führte, wurde vom BGH allerdings verneint:[8]

Zitat

"Zwar vermögen ein einheitliches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen oder eine Mittel-Zweck-Verknüpfung eine Tateinheit nicht zu begründen. Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen aber zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.) durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, stehen diese daher regelmäßig zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht [...]."

In einer weiteren Entscheidung des BGH hat dieser eine Klammerwirkung einer Urkundenfälschung bejaht. Der Angeklagte hatte hier zur Verwirklichung seines Tatvorhabens ein amtliches Kennzeichen eines Pkw entwendet und dieses an seinem nicht zugelassenen Fahrzeug angebracht, um sodann diverse Straftaten zu begehen, die einen Banküberfall und eine Flucht mit verkehrsstrafrechtlichen Bezügen aufwiesen. Wörtlich heißt es in dieser Entscheidung:[9]

Zitat

"Die Urkundenfälschung steht nicht nur mit der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung sowie im Wege der natürlichen Handlungseinheit mit dem Diebstahl der Kennzeichen, sondern auch mit der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit. Die schwere räuberische Erpressung war, als der Angeklagte mit seinem unmittelbar vor dem Bankgebäude abgestellten Fahrzeug die Flucht antrat, vollendet aber nicht beendet, weil der Angeklagte bis dahin noch keinen gesicherten Gewahrsam an der erpressten Tatbeute erlangt hatte. Die anschließende Fahrt mit am Fahrzeug angebrachten falschen amtlichen Kennzeichen zielte gerade auch auf die Sicherung der Beute ab. Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung einer (schweren) räuberischen Erpressung, aber vor deren tatsächlichen Beendigung vorgenommen werden, begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Tateinheit, wenn sie der Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht dienen und zugleich weitere Strafgesetze verletzen [...]."

Veranschaulichen lässt sich dies mit folgender Grafik im Hinblick auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in der jüngsten Entscheidung des BGH zum Thema:

 

Rz. 18

 

Hinweis

Es ist daher notwendig zu prüfen, ob bei der Verteidigung verhindert werden kann, dass Tatmehrheit angenommen wird und so für den Mandanten nicht nur eine geringere Sanktion, sondern auch ein geringerer Punktestand erreicht werden kann.

 

Rz. 19

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