Rz. 470

Welche Auswirkungen das Hinzutreten oder Herauslösen von Betrieben/Teileinheiten zu bzw. aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG auf die Wirkung der Betriebsvereinbarungen hat, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt und wird auch in der Literatur nur sehr vereinzelt thematisiert.[533]

 

Rz. 471

Wird aus einer durch eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG geschaffenen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit eine Teileinheit herausgelöst und auf ein anderes Unternehmen übertragen, dürften die oben dargestellten Grundsätze eines Betriebsteilübergangs gelten. Die durch die Vereinbarung nach § 3 BetrVG geschaffene Einheit gilt gem. § 3 Abs. 5 BetrVG als Betrieb, so dass selbst Einheiten, die nach den gesetzlichen Strukturen bzw. vor der Errichtung des fingierten Einheitsbetriebs eigenständige Betriebe waren/wären, während der Geltung der Vereinbarung nach § 3 BetrVG nur bloße Betriebsteile sind.

 

Rz. 472

Bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BAG zu Betriebsteilübergängen bedeutete dies, dass die Betriebsvereinbarungen beim Erwerber normativ weitergelten, wenn die Identität des Betriebsteils beim Erwerber erhalten bleibt, insbesondere weil er den Betriebsteil als eigenständigen Betrieb weiterführt.[534] Verliert der übertragene Betriebsteil beim Erwerber seine Identität und geht unter, endet auch die normative Wirkung der Betriebsvereinbarungen und es kommt nur eine Transformation in die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Beschäftigten nach § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB in Betracht.

 

Rz. 473

Kommt während des Laufs einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG ein neuer Betrieb hinzu, ist zunächst durch Auslegung der Strukturvereinbarung zu ermitteln, ob und wie sich der hinzukommende Betrieb in die geschaffene Struktur einfügt.[535]

 

Rz. 474

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BAG zur Errichtung von betriebsorganisatorischen Einheiten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG dürfte sodann zu differenzieren sein, ob der hinzukommende Betrieb lediglich aufgrund der Ausgestaltung der Strukturvereinbarung in den fingierten Einheitsbetrieb einbezogen wird, oder ob der Arbeitgeber zusätzlich Änderungen auf betrieblicher Ebene herbeiführt.

 

Rz. 475

Nach den Grundsätzen der Entscheidung vom 18.3.2008[536] dürfte allein die Einbeziehung des hinzukommenden Betriebs in den fingierten Einheitsbetrieb aufgrund der Ausgestaltung der Strukturvereinbarung ohne Hinzutreten tatsächlicher Veränderungen der bisherigen Betriebsstruktur nicht zu einer Veränderung der betrieblichen Identität des einbezogenen Betriebs führen. Damit dürften auch die in diesem Betrieb vor der Einbeziehung in den durch die Strukturvereinbarung fingierten Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen – begrenzt auf diesen bisherigen Geltungsbereich – normativ weitergelten. Geht der hinzukommende Betrieb hingegen aufgrund von Änderungen auf betrieblicher Ebene in dem fingierten Einheitsbetrieb auf und verliert so seinen Status als abgrenzbare organisatorische Teileinheit, dürfte die normative Wirkung etwaiger zuvor in ihm geltenden Betriebsvereinbarungen enden. Ist der neue Betrieb im Wege des Betriebsübergangs hinzuerworben worden, kommt eine Transformation der in ihm zuvor geltenden Betriebsvereinbarungen nach den Grundsätzen des § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB in Betracht.

 

Rz. 476

Nach Hohenstatt werden Betriebsvereinbarungen im hinzukommenden Betrieb durch für den fingierten Betrieb geltende Betriebsvereinbarungen mit demselben Regelungsgegenstand verdrängt.[537]

[533] WHSS/Hohenstatt, E Rn 91.
[534] Siehe Rdn 284; vgl. auch WHSS/Hohenstatt, E Rn 91.
[535] Siehe Rdn 134 ff.
[537] WHSS/Hohenstatt, E Rn 91.

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