Rz. 487
Einen Firmentarifvertrag (auch als Haustarifvertrag bezeichnet) schließt auf Arbeitgeberseite nicht der Arbeitgeberverband ab, sondern der Arbeitgeber. Bei einem Firmentarifvertrag ist also der Arbeitgeber selbst Tarifvertragspartei. Die unmittelbare und zwingende Wirkung des Firmentarifvertrags resultiert nicht aus der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband, sondern aus seiner Stellung als Partei des Firmentarifvertrags (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Alt. 2 TVG).
(1) Einzelrechtsnachfolge
Rz. 488
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG[545] und der h.M. in der Literatur[546] bewirkt die Einzelrechtsnachfolge nach § 613a BGB keinen Eintritt des Betriebserwerbers in die kollektivrechtliche Stellung des Betriebsveräußerers. Gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB gehe nur die Arbeitgeberstellung über, und nicht die Stellung als Tarifvertragspartei eines Firmentarifvertrags.[547] Die Rechtsposition einer Tarifvertragspartei komme zudem allein einer juristischen oder natürlichen Person, also einem Unternehmen oder Unternehmer zu und nicht einem Betrieb. Diese Rechtsposition könne daher bei der Übertragung eines Betriebs im Wege der Einzelrechtsnachfolge nicht nach § 613a Abs. 1 BGB auf den Erwerber übergehen.[548]
Rz. 489
Das bedeutet, dass ein Firmentarifvertrag nicht aufgrund einer Einzelrechtsnachfolge i.S.d. § 613a BGB normativ weitergilt. Eine normative (Weiter)Geltung des Firmentarifvertrags nach einem Betriebsübergang ist daher nur möglich, wenn der Erwerber durch eine eigene Willenserklärung selbst seine originäre Bindung an den Tarifvertrag herbeiführt, etwa indem er einen gleichlautenden Tarifvertrag mit derselben Gewerkschaft oder einen dreiseitigen Übernahmevertrag unter Beteiligung von Veräußerer und Gewerkschaft abschließt.[549]
(2) Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 490
Die Rechtsstellung als Vertragspartei eines Firmentarifvertrags ist ein Vermögensbestandteil i.S.d. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, der bei einer Gesamtrechtsnachfolge im Wege der umwandlungsrechtlichen Verschmelzung oder Spaltung auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht.[550] Der neue Rechtsträger tritt damit in die Rechtsstellung als Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags ein, der Firmentarifvertrag gilt normativ weiter.
Rz. 491
Bei umwandlungsrechtlichen Verschmelzungen gilt dies für den aufnehmenden Rechtsträger. Dieser tritt in sämtliche Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers ein.
Rz. 492
Bei umwandlungsrechtlichen Spaltungen stellt sich hingegen die Frage, welcher Rechtsträger in die Position als Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags eintritt. Eine "Vervielfältigung" des Firmentarifvertrags dergestalt, dass bei der Spaltung mehrere Rechtsträger Partei des Firmentarifvertrags werden, schließt das BAG aus.[551]
Rz. 493
Gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG ist im Spaltungs- und Übernahmevertrag (bzw. im Spaltungsplan gem. § 136 UmwG bei der Spaltung zur Neugründung) festzulegen, welcher Rechtsträger in die Rechtsstellung als Vertragspartei eines Firmentarifvertrags eintritt.[552] Bei der Aufspaltung gem. § 123 Abs. 1 UmwG ist diese Festlegung aufgrund der Auflösung des übertragenden Rechtsträgers für die Bestimmung, wer zukünftig an den Firmentarifvertrag gebunden ist, unerlässlich. Bei der Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG und der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG, bei der der übertragende Rechtsträger weiterhin besteht, verbleibt bei Fehlen einer ausdrücklichen Zuordnungsregelung der übertragende Rechtsträger in der Rechtsstellung der Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags.[553]
Rz. 494
Wird bei einer Abspaltung oder einer Ausgliederung, bei der der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt, die Rechtsposition als Vertragspartei des Firmentarifvertrags im Spaltungs- und Übernahmevertrag bzw. im Spaltungsplan einem der aufnehmenden Rechtsträger zugeordnet, ist der übertragende Rechtsträger nicht mehr Tarifvertragspartei. In diesem Fall erscheint es sachgerecht, die Tarifgebundenheit des übertragenden Rechtsträgers analog § 3 Abs. 3 TVG aufrecht zu erhalten, bis der Tarifvertrag endet.[554] Die Situation ist vergleichbar mit einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers.
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