Rz. 372
Auch für Gesamtbetriebsvereinbarungen gilt, dass § 613a Abs. 1 BGB lediglich Auffangcharakter hat und nur eingreift, wenn die Gesamtbetriebsvereinbarung nicht bereits normativ weitergilt.[432] Auch hier ist also die normative Weitergeltung vorrangig zu prüfen.
Rz. 373
Das BAG stützt seine Rechtsprechung zur normativen Weitergeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsübergängen auf den Grundsatz, dass auch Gesamtbetriebsvereinbarungen ausschließliche betriebliche Angelegenheiten regeln.[433] Ihr Bezugsobjekt und Regelungssubstrat sind ausschließlich die einzelnen Betriebe – und zwar unabhängig davon, ob es sich um echte Gesamtbetriebsvereinbarungen handelt, also solche, die der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 1 BetrVG in originärer Zuständigkeit abschließt, oder um unechte Gesamtbetriebsvereinbarungen, also solche, die der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 2 BetrVG im Auftrag der Einzelbetriebsräte abschließt.[434]
Rz. 374
Eine Gesamtbetriebsvereinbarung unterscheidet sich von einer Einzelbetriebsvereinbarung also nur quantitativ durch die Anzahl der Betriebe, in der sie gilt, und nicht qualitativ durch ein anderes Bezugsobjekt.[435] Auch wenn sie zugleich in mehreren Betrieben des Unternehmens gilt, gibt es kein überbetriebliches Bezugsobjekt und Regelungssubstrat im Sinne einer Art Betriebsverbund.[436]
Rz. 375
Ausgehend von dieser zutreffenden Grundannahme müssen für die Frage der normativen Weitergeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen im Wesentlichen dieselben Voraussetzungen wie für die normative Weitergeltung von Einzelbetriebsvereinbarungen gelten.
Rz. 376
Nach der Rechtsprechung des BAG ist daher für eine normative Weitergeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen insbesondere erforderlich, dass der übertragene Betrieb/Betriebsteil bzw. die übertragenen Betriebe/Betriebsteile beim Erwerber ihre Identität wahren, was zumindest dann der Fall ist, wenn sie als selbstständige Betriebe weitergeführt werden.[437]
Rz. 377
Dabei ist je nach Fallgestaltung sowohl eine normative Weitergeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung, als auch eine normative Weitergeltung als Einzelbetriebsvereinbarung möglich. Gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber als Gesamtbetriebsvereinbarung normativ weiter, dann erfasst ihre Wirkung nach h.M. allerdings nur die übergegangenen Betriebe, die ursprünglich von ihr erfasst waren, sie erstreckt sich nach h.M. nicht auf weitere Betriebe des Erwerbers.[438]
Rz. 378
Nur ausnahmsweise scheidet eine normative Weitergeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung auch bei identitätswahrendem Übergang eines oder mehrerer Betriebe aus, wenn die betreffende Regelung ihrem Inhalt nach die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen zwingend voraussetzt und nach dem Betriebsübergang daher gegenstandslos wird.[439]
Rz. 379
Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 18.9.2004,[440] ergänzt durch die Entscheidung vom 5.5.2015,[441] verschiedene Fallkonstellationen beleuchtet. Die von ihm für diese Fallkonstellationen gefundenen Lösungen haben in der Literatur zu Recht weitgehend Zustimmung gefunden.
(1) Arten der Umstrukturierung
(a) Übertragung aller Betriebe eines Unternehmens auf ein betriebsloses Unternehmen
Rz. 380
Werden alle Betriebe eines Unternehmens, für die beim Veräußerer Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen sind, auf einen betriebslosen Rechtsträger identitätswahrend übertragen und dort im Wesentlichen unverändert weitergeführt, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen normativ als Gesamtbetriebsvereinbarungen weiter.[442] Dies gilt nach der Entscheidung des BAG vom 18.9.2002 jedenfalls für in originärer Zuständigkeit gem. § 50 Abs. 1 BetrVG abgeschlossene "echte" Gesamtbetriebsvereinbarungen.
Rz. 381
Für die normative Weitergeltung echter Gesamtbetriebsvereinbarungen als Gesamtbetriebsvereinbarung (und nicht "nur" als Einzelbetriebsvereinbarung) ist nach der Rechtsprechung des BAG der Fortbestand des überbetrieblichen Regelungsbedürfnisses (vgl. § 50 Abs. 1 BetrVG) erforderlich,[443] was allerdings bei Übertragung aller Betriebe eines Unternehmens regelmäßig unproblematisch gegeben sein wird.[444]
Rz. 382
In diesem Fall bleibt auch der Gesamtbetriebsrat im Amt,[445] so dass bereits die Amtskontinuität für eine normative Weitergeltung a...
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