Rz. 507

Die Tarifvertragsnormen behalten nach der neueren Rechtsprechung des 4. Senats in der Entscheidung vom 22.4.2009 auch nach der Transformation gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ihren kollektivrechtlichen Charakter.[563]

 

Rz. 508

Im Übrigen gilt für Geltungsbereich, Inhalt und Wirkung der Transformation von Tarifverträgen vielfach dasselbe wie für Betriebsvereinbarungen (siehe Rdn 335).

 

Rz. 509

Auch nachwirkende Tarifverträge werden gem. § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB transformiert.[564] Von der Transformationswirkung des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB erfasst werden nach dem Wortlaut der Norm die Regelungen eines Tarifvertrags, die Rechte und Pflichten der übergehenden Arbeitsverhältnisse regeln, also grundsätzlich nur Inhalts- und Beendigungsnormen.[565] Betriebsverfassungsrechtliche Normen werden nicht transformiert, sie regeln die Rechte und Pflichten der Betriebsparteien, nicht die der übergehenden Arbeitsverhältnisse.[566] Auch der schuldrechtliche Teil von Tarifverträgen, der das Verhältnis der Tarifpartner untereinander betrifft, wird von der Transformation nicht erfasst.[567]

 

Rz. 510

Ein beim Veräußerer geltender Tarifvertrag, der vorübergehend durch einen Sanierungstarifvertrag verdrängt wird, wird nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls transformiert mit der Folge, dass dieser für die übergegangenen Beschäftigten wieder gilt, sobald der ihn temporär verdrängende Sanierungstarifvertrag endet.[568]

 

Rz. 511

Ob gleichermaßen ein wegen § 4a TVG verdrängter Minderheitentarifvertrag zu dem nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Tarifnormenbestand gehört, ist noch nicht geklärt.[569]

 

Rz. 512

Die Wirkungsweise der nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Normen entspricht dabei der Nachbindung i.S.d. § 3 Abs. 3 TVG.[570] Die Tarifnormen werden mit dem Inhalt und in dem Zustand transformiert, in dem sie sich im Zeitpunkt des Betriebsübergangs befanden. Der Regelungsgehalt der Tarifvertragsnormen geht statisch über, sie werden in dem Zustand, in dem sie sich bei Betriebsübergang befanden, also im Status quo "eingefroren".[571] Spätere Änderungen des Tarifvertrags berühren die transformierten Tarifnormen nicht, selbst wenn sie rückwirkend zu einem Zeitpunkt vor dem Betriebsübergang in Kraft treten sollen.[572] Tarifverträge, die zwar bei Betriebsübergang bereits abgeschlossen sind, aber erst nach dem Betriebsübergang in Kraft treten sollen, werden nicht transformiert, da sie im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch nicht normativ und zwingend für das übergehende Arbeitsverhältnis gelten.[573]

 

Rz. 513

Dynamische Entwicklungen, die bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs im Tarifvertrag vereinbart sind, aber erst nach dem Betriebsübergang eintreten sollen (z.B. gestaffelte Tariflohnerhöhungen), sind hingegen Bestandteil der transformierten Normen und vollziehen sich daher auch nach dem Betriebsübergang in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Beschäftigten.[574]

 

Rz. 514

Der Grundsatz, dass erst nach dem Betriebsübergang vorgenommene Veränderungen des Tarifvertrags auf den Inhalt der gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Tarifnormen beim Erwerber keinen Einfluss mehr haben, gilt nach der neueren Rechtsprechung des BAG allerdings nicht uneingeschränkt. Nach dem Urteil des 4. Senats vom 22.4.2009[575] hat auch eine erst nach einem Betriebsübergang gegenüber dem Veräußerer (der nach dem oben Gesagten (siehe Rdn 488 f.) Partei des Haustarifvertrags bleibt) ausgesprochene Kündigung Auswirkungen auf die Geltung der in die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Beschäftigten transformierten Tarifnormen. Dies ergebe sich aus § 613a Abs. 1 S. 4 BGB und aus dem Grundsatz, dass der Erwerber nicht länger oder ­intensiver an den Tarifvertrag gebunden sein soll als der Veräußerer.[576] War die Nachwirkung in dem transformierten Tarifvertrag ausgeschlossen, führt die nach dem Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung des Tarifvertrags nach dieser Rechtsprechung ­sogar dazu, dass die Wirkung der transformierten Tarifnormen beim Erwerber – bereits innerhalb der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB – ersatzlos entfällt.[577]

 

Rz. 515

Verweist die übergegangene Tarifregelung ihrerseits auf einen anderen Tarifvertrag, wird dieser in die Arbeitsverhältnisse der übergehenden Beschäftigten transformiert, aber auch dieser nur statisch in dem Stand, den er zur Zeit des Betriebsübergangs hatte.[578]

 

Rz. 516

Die transformierten Tarifnormen gelten nur für die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.[579] Für die Beschäftigten des übergegangenen Betriebs, die erst nach dem Betriebsübergang eingestellt werden, entfalten die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Tarifnormen keine Wirkung. Auch für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse des Erwerbers gelten sie nicht. Hinsichtlich des "Geltungsbereichs" der transformierten Tarifnormen wird der Betriebserwerber also nicht dem aus dem Arbeitgeberverband ausgetretenen Arbeitgeber (§ 3 Abs. 3 TVG) gleichgestellt, sondern nur hinsichtlich der Wirkungsw...

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