Rz. 5

Bereits die exakte Bestimmung des Auftraggebers kann in vielen Fällen die erste Herausforderung im Rahmen bzw. im Vorfeld der Annahme eines Unternehmensnachfolge-Mandats darstellen. Denn oft erfolgt die Ansprache des Beraters gar nicht durch den bzw. die (einzige) unmittelbar Betroffene. Wenigsten ebenso häufig erscheinen zum Erstgespräche Senior und Junior gemeinsam und wünschen eine (gemeinsame) umfassende Beratung in Bezug auf die beabsichtigte Betriebsübergabe. Gerade in dieser Situation stellt sich die Frage, ob der Berater, insbesondere der Rechtsanwalt, der Steuerberater oder der Wirtschaftsprüfer diesem Wunsch überhaupt entsprechen kann (geschweige denn sollte). Ein gleichzeitiges Tätigwerden sowohl für den Übergeber als auch für den (potenziellen) Übernehmer birgt in jedem Fall das Risiko, Diener zweier Herren zu sein und widerstreitende Interessen i.S.v. § 3 BORA[1] zu vertreten bzw. einen Parteiverrat nach § 356 StGB zu begehen. Dies ist selbstverständlich mit den Grundpflichten des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 4 BRAO unvereinbar.[2]

 

Rz. 6

Nach § 356 StGB und § 43a Abs. 4 BRAO bzw. § 6 BOStB liegt dieselbe Rechtssache vor, wenn derselbe historische Vorgang ("Lebenssachverhalt") betroffen ist.[3] Der Berater handelt aber dann nicht pflichtwidrig, vertritt auch nicht widerstreitende Interessen, wenn er die betroffenen Mandanten zuvor entsprechend aufgeklärt hat und diese bestätigen, gleichgerichtete Interessen zu verfolgen (obwohl dies angesichts ihrer Lebenssituation nicht zwingend wäre). Allerdings gilt dies dann nicht, wenn der Anwalt/Steuerberater in derselben Rechtssache widersprechende tatsächliche oder rechtliche Standpunkte vertritt. Liegt ein (ausdrücklich geäußertes) Einvernehmen der Mandanten nicht vor, so ist der Interessensgegensatz allein anhand objektiver Kriterien festzustellen. Er ist gegeben, wenn sich unterschiedliche Standpunkte nicht gleichzeitig optimieren lassen.[4]

 

Rz. 7

Auch wenn in diesem Bereich vieles umstritten ist und insbesondere über die Frage, wann überhaupt widerstreitende Interessen gegeben sind, erheblicher Streit herrscht,[5] sollte man hier keinerlei Risiken eingehen und für absolute Klarheit und Transparenz sorgen.

 

Rz. 8

Auftraggeber sollte demzufolge nur einer der Beteiligten sein, also nur der Übergeber oder der Übernehmer.[6] Seine Interessen gilt es zu vertreten, ihm den für ihn sichersten Weg aufzuzeigen. Das bedeutet aber nicht, dass die Interessen der übrigen Beteiligten für den beauftragten Berater keine Rolle mehr spielten. Das Gegenteil ist der Fall. Denn wie bereits angesprochen (vgl. oben Rdn 2) setzt eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge das Zusammenspiel aller Beteiligten voraus. Dem potenziellen Übernehmer ist nicht damit gedient, von seinem Berater ein Konzept vorgelegt zu bekommen, das für den Übergeber unter keinen Umständen akzeptabel ist. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Die klare Definition des Auftraggebers dient vor diesem Hintergrund lediglich dazu, eindeutig festzuhalten, wem im Zweifel die Loyalität des Beraters zu gelten hat. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn der Auftraggeber ausdrücklich den Wunsch hat, dass auch die übrigen Parteien der beabsichtigten Unternehmensnachfolge, z.B. der Übernehmer oder auch weichende Erben, durch seinen Berater ins Bild gesetzt werden und dass ihnen das Konzept und die Auswirkungen auf ihre jeweiligen Rechtspositionen dargestellt werden.

 

Rz. 9

Im Verhältnis zum eigenen Mandanten ist es selbstverständlich möglich, in dessen Auftrag mit den übrigen Beteiligten zu kommunizieren. Schwierig wird es allerdings dann, wenn Nicht-Mandanten über sie betreffende Risiken aufgeklärt und hierzu beraten werden sollen. Insoweit sollten insbesondere zwei Aspekte unbedingt beachtet werden:

 

Rz. 10

Zum einen gilt es, dem Nicht-Mandanten keine Handlungsempfehlungen zu geben, und zwar unabhängig davon, ob die empfohlenen Handlungen dem Interesse des eigenen Mandanten dienen würden oder ihm zuwiderliefen. Im Übrigen sollte die Rechtstellung des Beraters als Parteivertreter seines Auftraggebers gegenüber den übrigen Beteiligten eindeutig klargestellt werden, verbunden mit dem Hinweis, dass diese sich für ihre eigene Beratung selbst entsprechenden fachkundigen Beistandes versichern sollen.

 

Rz. 11

In der Praxis hat es sich bewährt, den Inhalt von im Auftrag des Mandanten mit anderen Beteiligten geführten Besprechungen schriftlich festzuhalten und in das Protokoll auch aufzunehmen, dass die übrigen Beteiligten auf die Rolle des Beraters (bzw. sein Rollenverständnis) hingewiesen wurden. Das Protokoll kann – nach Abstimmung mit dem Mandanten – auch den anderen Beteiligten zugeleitet werden.

 

Rz. 12

Die Zuspitzung des Auftragsverhältnisses auf nur einen Mandanten darf aber keinesfalls mit der Beschränkung des Auftrages in gegenständlicher Hinsicht verwechselt werden. Denn zumeist ist dem Mandanten, gerade wenn er der potenzielle Übergeber ist, in besonderer Weise daran gelegen, umfassend beraten zu werden, also nicht nur hinsic...

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