Rz. 680
Bei Abfindungsverhandlungen mit einem Schwerverletzten muss u.U. auch die Möglichkeit einbezogen werden, dass dieser unfallkausal später verstirbt und danach seinen Hinterbliebenen einen Unterhaltsschadenersatzanspruch eröffnet. Ein Vergleich, der nur mit dem unmittelbar Verletzten geschlossen wird, betrifft nicht automatisch zugleich auch die Ersatzansprüche der mittelbar Geschädigten, wenn und soweit diesen eigene Ersatzansprüche zugewiesen sind (Unterhaltsschaden,[638] entgangene Dienste, Beerdigungskosten, §§ 844, 845 BGB). Diese Drittansprüche entstehen bereits mit der Verletzung des Unterhalts- bzw. Dienstpflichtigen.[639]
Rz. 681
Beispiel 2.36
A verunfallt am 5.1.2011. Sachschäden, Schmerzensgeld und weitere materielle Ansprüche sind erledigt. Die Verdienstausfallansprüche des A werden am 16.9.2008 durch vorbehaltlose Abfindungserklärung auch hinsichtlich künftiger Einbußen abgefunden.
Aufgrund einer vom Schädiger zu verantwortenden gesundheitlichen Komplikation verstirbt A am 30.12.2013. A hinterlässt die Witwe W und den minderjährigen Waisen K.
Ergebnis:
▪ | W und K können Beerdigungskosten und Unterhaltsschäden geltend machen. Die Abfindung der Ansprüche des A berührt die Ansprüche der Hinterbliebenen nicht. |
▪ | Erledigt sind allerdings durch die Abfindung mit A diejenigen Ansprüche, die in der Person des A unmittelbar entstanden sind (Schmerzensgeld, Kfz-Schaden, vergangener und künftiger Verdienstausfall). Hier konnte A eine Rechtsposition nicht mehr vererben; da er diese Rechtsposition bereits zu seinen Lebzeiten durch den Abfindungsvergleich vom 16.9.2013 verloren hat. |
Rz. 682
Werden insbesondere erhebliche künftige Verdienstausfallansprüche kapitalisiert, sollte klargestellt werden, dass – wenn eine wesentliche Vorversterblichkeit nicht einbezogen ist – auch etwaige Unterhaltsansprüche Dritter erledigt sind. Diese Ansprüche von Dritten können mit in die Abfindungsverhandlungen einbezogen werden. Der unmittelbar Verletzte kann entweder Verzichtserklärungen dieser Dritten beibringen oder aber diese veranlassen, dem Vergleich beizutreten. Vorzuschlagen wäre folgende Formulierung[640] (Die Variablen sind in Klammer < … > gesetzt):
Rz. 683
Muster 1: Übersicht 2.26: Einbindung Dritter in den Abfindungsvergleich
Übersicht 2.26: Einbindung Dritter in den Abfindungsvergleich
Die Rechtswirksamkeit des Vergleiches ist davon abhängig, dass der <Anspruchsteller/Kläger> binnen <einer Woche> eine Erklärung folgender unterhalts- und dienstberechtigten Personen <Hannelore Müller, Bahnhofstr. 12, 12345 Glücksburg; Peter Müller, Bahnhofstrasse 12, 12345 Glücksburg> beibringt, dass auch sie gegenüber den <Schadenersatzverpflichteten/Beklagten> auf ihre etwaigen Ansprüche verzichten und an die <Schadenersatzpflichtigen/Beklagten> ihre etwaigen Ansprüche gegen dritte Personen abtreten.
Rz. 684
Grundsätzlich ist der Zufluss der Erbmasse kein auf den Schaden der Unterhaltsberechtigten anzurechnender Vermögensvorteil. Anderes gilt aber, wenn die Quelle des Unterhalts nicht gewechselt hat.[641] Soweit Erträgnisse (z.B. Aktiendepot, Bauernhof, Erwerbsgeschäft, Mieteinkünfte, Zinsen) aus dem ererbten Vermögen bereits vor dem Schadensereignis dem Familienunterhalt zur Verfügung standen, sind sie insoweit auf den wegen des Todes verlangten Schaden zu verrechnen (Quellentheorie).[642] Wurde vor dem Tod der Familienunterhalt ganz oder teilweise aus dem (mit dem unfallverletzten [und später dann verstorbenen] Anspruchsteller verhandelten) kapitalisierten Abfindungsbetrag bestritten, erfolgt ein entsprechender Vorteilsausgleich.[643]
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