Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 79
Der Titel muss einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Grundsätzlich gilt, dass nur der auf eine Leistung des Schuldners gerichtete Titel vollstreckungsfähig ist (Zahlung von Geld, Herausgabe einer Sache, Leistung vertretbarer Sachen, Vornahme von Handlungen, Abgabe von Willenserklärungen, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach bürgerlichem Recht oder Duldung/Unterlassung). Feststellungs- und Gestaltungsurteile, Zwischenurteile sowie klageabweisende Urteile sind nicht vollstreckbar, begründen aber einen Kostenerstattungsanspruch, der durch Kostenfestsetzungsbeschluss als gesonderter Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet wird.
Rz. 80
Der Titel muss hinreichend bestimmt sein. Dazu muss er aus sich heraus verständlich sein und für jeden Dritten erkennen lassen, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Sollte der Tenor auf Anlagen verweisen, müssen diese den Zwangsvollstreckungsunterlagen beigefügt werden. Nichts anderes gilt bei einem Prozessvergleich. Dabei muss der Titel jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann. Hierauf müssen die Bevollmächtigten schon im Erkenntnisverfahren oder bei der Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides achten. Es muss bedacht werden, dass es sich bei dem Vollstreckungsorgan um einen unbeteiligten Dritten handelt, der keine Kenntnis von dem Erkenntnisverfahren, dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt und dem Zustandekommen des Titels hat. Zwar hat das Vollstreckungsorgan die Kompetenz, den Titel auszulegen, jedoch wird es im Zweifel dem Vollstreckungsauftrag nicht nachkommen. Für die Auslegung sind vor diesem Hintergrund drei Ebenen relevant:
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Primär ist die Auslegung am Wortlaut des Tenors auszurichten; |
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auf der zweiten Ebene können Tatbestand und Entscheidungsgründe sowie die fest mit dem Titel verbundenen Anlagen herangezogen werden; |
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auf der letzten Ebene sind die gesetzlichen Auslegungsregeln heranzuziehen, etwa über die gesamtschuldnerische Haftung nach den §§ 420 ff. BGB. |
Rz. 81
In der Praxis haben sich Fallgruppen herausgebildet, die immer wiederkehrende Problemlagen beschreiben, deren Lösung primär schon im Erkenntnisverfahren zu suchen ist.
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Bei Zahlungstiteln liegt eine hinreichende Bestimmtheit vor, wenn der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt ist oder sich aus dem Titel ohne weiteres errechnen lässt. Im Falle einer vereinbarten Wertsicherungsklausel bei einem Miet- oder Pachtvertrag reicht der Tenor, "den vereinbarten Pachtzins" zu zahlen, nicht aus. Ein Vergleich über regelmäßige Unterhaltsleistungen, der eine Anrechnungsklausel enthält ("die vom Schuldner geleisteten Unterhaltszahlungen sind in Anrechnung zu bringen"), ist unwirksam, weil er nicht hinreichend bestimmt. |
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Bei einem Bruttolohntitel darf wegen des vollen Bruttolohnes vollstreckt werden, was schon voraussetzt, dass der Zahlungstitel als solcher bezeichnet wird. In diesem Fall ist der Gläubiger jedoch verpflichtet, den Arbeitnehmeranteil an die Sozialversicherungsträger abzuführen. DM-Titel sind vom zuständigen Vollstreckungsorgan in EUR umzurechnen. Um die Vollstreckung zu beschleunigen, sollte die Umrechnung jedoch durch den Gläubiger erfolgen. |
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Eine mangelnde Vollstreckungsfähigkeit wird auch angenommen, wenn eine bestimmte Summe Zug um Zug gegen Rückgabe eines bestimmten Kfz zu zahlen ist, abzüglich eines Betrages der sich nach der Km-Leistung gemäß Tachostand dieses Fahrzeuges richtet. Bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung muss auch die Gegenleistung hinreichend bestimmt sein. Maßstab hierfür ist, dass die bezeichnete Gegenleistung mit dieser Bezeichnung auch selbst der Gegenstand eines Leistungsurteils sein könnte. |
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Aus dem Schutzzweck des Gewaltschutzgesetzes soll folgen, dass deutlich geringere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit des Antrags gestellt werden können. |
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Um in Bezug auf herauszugebende Unterlagen eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO oder § 883 ZPO durchführen zu können, ist erforderlich, dass sich aus dem Titel im Einzelnen konkret ergibt, welche Urkunden der Schuldner herauszugeben bzw. vorzulegen hat, da es nicht dem Gerichtsvollzieher überlassen bleiben kann, aus einer Vielzahl von im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Schriftstücken diejenigen herauszusuchen, die unter einen im Vollstreckungstitel verwendeten unklaren Sammelbegriff fallen können. Die Beseitigung solcher Unklarheiten kann auch nicht im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO erfolgen. |
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Bei Herausgabetiteln im Übrigen muss darauf geachtet werden, dass diese den Gegenstand genau genug bezeichnen. Bei Pkw ist die Fahrgestellnummer anzugeben. |
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Bei Unterlassungstiteln muss ... |