Rz. 291

Schiedsgerichte können – wie dargestellt – als Kollegialgericht oder auch durch nur ­einen Schiedsrichter entscheiden. Für den Fall einer Entscheidung durch nur einen Schiedsrichter bedarf es keiner gesonderten Regelung. Haben die Parteien jedoch ein Schiedsgericht mit mehr als einem Schiedsrichter vereinbart, so muss geregelt werden, wie bei abweichenden Meinungen der Schiedsrichter über den Ausgang des Verfahrens eine Mehrheitsentscheidung zustande kommt. Die Norm tritt an die Stelle der §§ 194 bis 197 GVG, die die Beratung und Abstimmung in der Kammer des Landgerichts oder dem Senat des Oberlandesgerichts regeln.

 

Rz. 292

Unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Schiedsrichter ist die Entscheidung des Schiedsgerichts eine Mehrheitsentscheidung. Besteht das Schiedsgericht also aus zwei Schiedsrichtern, so kommt die Entscheidung zustande, wenn zwei der Schiedsrichter eine gemeinsame Auffassung vom Ergebnis haben.

 

Rz. 293

Da das Gesetz nichts über die Modalitäten der Beratung besagt, kann diese formlos, beispielsweise auch telefonisch oder schriftlich erfolgen.

 

Rz. 294

Die oben zitierten Schiedsordnungen sowohl des Norddeutschen als auch des Süddeutschen Familienschiedsgerichts sehen außer der Entscheidung durch nur einen Schiedsrichter diejenige durch zwei Schiedsrichter vor. Eine derartige Regelung kann von den Parteien im Rahmen der Schiedsvereinbarung, also durch Bezugnahme auf die Schiedsordnungen in der Vereinbarung, getroffen werden. In diesem Fall sehen die Schiedsordnungen vor, dass die Stimme des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt. Auch eine solche Regelung ist zulässig.[110]

 

Rz. 295

Findet sich ausnahmsweise keine Stimmenmehrheit, weil beispielsweise bei einem Dreierkollegium jeder eine andere Auffassung vertritt und ein Stichentscheid durch den Vorsitzenden nicht vorgesehen ist, ist die Fortsetzung des Verfahrens unmöglich geworden, weshalb das Schiedsgericht nach § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO die Beendigung des Verfahrens festzustellen hat.

 

Rz. 296

Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an der Abstimmung, betreibt er also ­Obstruktion, ist wiederum vorrangig auf die Parteivereinbarung zurückzugreifen. Sieht diese keine Regelungen für diesen Fall vor, greift § 1052 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift sind die anderen Schiedsrichter dann berechtigt, ohne den sich weigernden Schiedsrichter abzustimmen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Absicht, ohne den sich verweigernden Schiedsrichter zu entscheiden, den Parteien vorher mitzuteilen ist. Auf diese Weise ist die Möglichkeit geschaffen, dass die Parteien auf den sich weigernden Schiedsrichter einwirken oder, falls auch das keinen Erfolg bringt, eine abweichende Parteivereinbarung treffen. Die Mitteilung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass noch ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Einwirkung auf den sich weigernden Schiedsrichter verbleibt.

 

Rz. 297

Verstöße gegen diese Regelungen stellen einen Aufhebungsgrund im Sinne § 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO dar, der gegebenenfalls zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen kann.[111]

 

Beispiel

Das Familienschiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, A, B und C. Schiedsrichter C ärgert sich über das bisherige Verhalten seiner Kollegen und weigert sich, die von denen vertretene Lösung zu verantworten. Er erklärt deshalb, dass er ab sofort nicht mehr an den Beratungen des Schiedsgerichts teilnehmen werde. Die Schiedsvereinbarung enthält keine Regelung für diesen Fall.

Die Schiedsrichter A und B werden diesen Umstand sowie ihre Absicht, ohne den C zu entscheiden, den Parteien mitteilen. Diese haben darauf die Möglichkeit,

auf den C mit dem Ziel einzuwirken, sein Verhalten zu überdenken und doch wieder mitzuwirken,
eine abweichende Parteivereinbarung etwa dahingehend zu treffen, dass das Schiedsgericht nur mit zwei Schiedsrichtern entscheiden soll,
abzuwarten und einer Entscheidung durch die verbliebenen Schiedsrichter entgegen zu sehen.
 

Rz. 298

Bei anderen Entscheidungen als dem Schiedsspruch sind die Parteien gemäß § 1052 Abs. 2 Satz 3 ZPO nachträglich hiervon in Kenntnis zu setzen. Dazu stellt sich die Frage, was "andere Entscheidungen" im Sinne dieser Norm sind. Bei diesen "anderen Entscheidungen" handelt es sich um solche auf der Stufe vor der Endentscheidung, also etwa über die Frage ob und in welchem Umfang Beweis zu erheben ist. Dazu gehören aber auch verfahrensregelnde Entscheidungen.

 

Rz. 299

Bemerkenswert ist, dass es überhaupt eine gesetzliche Regelung für den Fall der ­Obstruktion eines Schiedsrichters gibt. Die ist aber wohl auch erforderlich, weil es für Schiedsrichter keine den Dienstpflichten des Richters entsprechenden Regelungen gibt. Während also der Obstruktion des staatlichen Richters über das Richterdienstrecht begegnet werden kann, muss hier auf andere Weise sichergestellt sein, dass das Schiedsgericht trotz der mangelnden Mitwirkung zu einem Abschluss des Verfahrens kommen kann.

 

Rz. 300

Schließlich ist durch § 1052 Abs. 3 ZPO noch vorgesehen, dass der vorsitzende Schie...

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