Rz. 313

Liegt ein Betriebsübergang vor, dürfen die zwingenden Rechtsfolgen des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht umgangen werden. Ein diesen Zweck verfolgender Aufhebungsvertrag ist gem. § 134 BGB nichtig.[553] Eine Umgehung liegt insbesondere dann vor, wenn ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer zu veränderten Konditionen vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird und der Arbeitnehmer unter Hinweis darauf veranlasst wird einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen (so genanntes "Lemgoer Modell"). Verboten sind damit auch Aufhebungsverträge aus Anlass des Betriebsüberganges, wenn sie vom Betriebsveräußerer oder -erwerber allein deshalb veranlasst werden, um dem bestehenden Kündigungsverbot auszuweichen. Unwirksam sind ferner Vertragsgestaltungen, deren objektive Zielsetzung in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes besteht.[554]

Hiervon zu unterscheiden sind zwischen dem Arbeitnehmer und dem alten oder dem neuen Betriebsinhaber geschlossene Vereinbarungen, die auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind. Solche Verträge werden nach der Rechtsprechung des BAG ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung als wirksam angesehen.[555] Dies gilt auch beim Abschluss eines dreiseitigen Vertrages unter Einschaltung einer sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft,[556] wenn die Übernahme nicht nur zum Schein geschieht oder offensichtlich nur bezweckt wird, um die Sozialauswahl zu umgehen.[557] Eine rechtsmissbräuchliche Umgehung von § 613a BGB liegt insbesondere vor, wenn zwar für kurze Zeit ein Übertritt in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erfolgt, jedoch zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird; in diesem Fall liegt die objektive Zwecksetzung des Aufhebungsvertrages bzw. des dreiseitigen Vertrages in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes.[558]

Damit trägt die Rechtsprechung dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen und damit den Eintritt der Rechtsfolgen des § 613a BGB verhindern kann.[559] Täuscht der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber, dass ein Betriebsübergang geplant ist, indem er wahrheitswidrig eine Betriebsstilllegung vorspiegelt und veranlasst er den Arbeitnehmer dadurch zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, kann dieser unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam sein.[560]

 

Rz. 314

Schließt der Insolvenzverwalter eines insolventen Betriebes mit sämtlichen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge mit geringen Abfindungen (z.B. 20 % eines Monatsgehaltes) ab und werden die Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an den vereinbarten Ausscheidenszeitpunkt von einem Betriebsübernehmer wieder eingestellt, so ist die bisherige Betriebszugehörigkeit trotz des Aufhebungsvertrages im neuen Beschäftigungsverhältnis anzurechnen.[561]

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