Rz. 495

Im Ergebnis besteht Einigkeit, dass Praxisphasen praxisintegrierender dualer Studiengänge nicht mindestlohnpflichtig sind. Nach der Gesetzesbegründung[1031] sind Teilnehmer an Dualstudiengängen als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte i.S.d. § 22 Abs. 3 MiLoG einzustufen. Dem schließt sich die h.M. an.[1032] Da Teilnehmer praxisintegrierender Studiengänge nicht in den Anwendungsbereich des BBiG fallen, muss ihnen auch keine "angemessene Vergütung" nach § 17 BBiG gewährt werden. Daher haben die Studierenden kraft Gesetzes grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Vergütung.[1033] Bei der Gestaltung der Vergütung sind die Vertragsparteien weitgehend frei. Sie können die Chance, dass das Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis eingestuft wird, erhöhen, indem sie bloß eine Aufwandsentschädigung oder Unterhaltsbeihilfe an Stelle eines echten Entgeltes vorsehen.

In Extremfällen kann ihnen das aber zum Verhängnis werden, nämlich wenn der Dienstleistungscharakter der Tätigkeit derart deutlich im Vordergrund steht, dass diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist und sich die vereinbarte Aufwandsentschädigung im Vergleich mit der marktüblichen Vergütung als Lohnwucher darstellt. Wegen der Unwirksamkeit der Entgeltabsprache nach § 138 BGB wäre dann gemäß § 612 Abs. 2 BGB kraft Gesetzes das marktübliche Entgelt zu gewähren. Diese Konstellation wurde in der Rechtsprechung bislang aber allein in Fällen angenommen, in denen Praktikanten bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten.[1034] Angesichts des erklärten Willens des Gesetzgebers, duale Studiengänge von der Mindestlohnpflicht auszunehmen,[1035] wird sich für typische, also marktübliche duale Studiengänge mit Erstausbildungscharakter ein Mindestlohnanspruch nicht aus dem Verbot des Lohnwuchers ergeben.

[1031] BT-Drucks 18/2010, S. 21.
[1032] Koch-Rust/Kolb/Rosentreter, NZA 2015, 402, 405; ErfK/Franzen, § 22 MiLoG Rn 3; HWK/Sittard, § 22 MiLoG Rn 26; Grimm/Freh, ArbRB 2015, 316, 317 a.A. Bayreuther, NZA 2014, 865, 871.
[1033] Grimm/Freh, ArbRB 2015, 316, 317.
[1035] BT-Drucks 18/2010, S. 21.

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