Rz. 1194

Nicht immer reicht eine Probezeit von sechs Monaten aus, damit sich der Arbeitgeber ein abschließendes Bild über die fachliche und persönliche Eignung des Arbeitnehmers verschaffen kann. Dann besteht das Bedürfnis, die Probezeit zu verlängern. Problematisch ist, dass der Arbeitnehmer nach sechsmonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses – sofern im Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt sind – den umfassenden Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erlangt. Damit wird eine Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt erschwert, da diese nunmehr der sozialen Rechtfertigung i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG bedarf. Eine vereinbarte Verlängerung der Probezeit hilft dann nicht weiter.

 

Rz. 1195

Eine erweiterte bzw. nachträgliche Befristung zur weiteren Erprobung ist ebenfalls mit Risiken behaftet. Zwar ist die Erprobung als sachlicher Befristungsgrund in § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG normiert, jedoch besteht angesichts der gesetzlichen Wertung von § 622 Abs. 3 BGB und des § 1 Abs. 1 KSchG für eine über sechs Monate hinaus andauernde Probezeit ein besonderer Rechtfertigungsbedarf.[2589] Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist nicht nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG gerechtfertigt, wenn die vereinbarte Dauer der Erprobungszeit in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit steht. Im Allgemeinen reichen sechs Monate Erprobungszeit aus. Einschlägige Tarifverträge können Anhaltspunkte geben, welche Probezeit angemessen ist. Längere Befristungen zur Erprobung aufgrund besonderer Einzelfallumstände sind möglich. Der berechtigte Wunsch des Arbeitgebers, die Eignung eines Arbeitnehmers zu erproben, kann nicht losgelöst von dessen für die Arbeitsleistung relevanten persönlichen Fähigkeiten betrachtet werden. Gezielte tätigkeitsbegleitende Unterstützungsmaßnahmen – beispielsweise durch eine Arbeitsassistenz – können auch eine länger als sechs Monate andauernde Erprobungsdauer rechtfertigen.[2590]

Eine reine Zeitbefristung bis zur Dauer von zwei Jahren (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG) bedarf keines sachli­chen Grundes. Diese Art der Befristung ist jedoch nur möglich, wenn nicht mit demselben Arbeitgeber ­bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat ("Bereits-Zuvor-Arbeitsverhältnis", § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).[2591]

 

Rz. 1196

Eine faktische Verlängerung der Probezeit über sechs Monate hinaus, ohne dem Arbeitnehmer zugleich den umfassenden Bestandsschutz nach dem KSchG zu verschaffen, ist über einen "Umweg" möglich: Das Arbeitsverhältnis wird vor Erlangung des allgemeinen Kündigungsschutzes (also vor Ablauf von sechs Monaten) vorsorglich – durch ordentliche Kündigung oder Aufhebungsvertrag – beendet. Die Beendigung erfolgt dann nicht mit der kurzen gesetzlichen Probezeitkündigungsfrist von zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB, sondern mit einer verlängerten Auslauf-/Kündigungsfrist. Während dieser verlängerten Auslauffrist ist der Arbeitnehmer nach wie vor tätig und kann weiter erprobt werden. Für den Fall seiner Bewährung wird ihm eine Wiedereinstellungszusage gegeben.[2592]

 

Rz. 1197

Die Auslauffrist muss angemessen und überschaubar bleiben, um eine Befristungskontrolle und eine etwaige Unwirksamkeit wegen unzulässiger Befristung zu vermeiden. Ist nämlich die Auslauffrist zu lang, ist der Aufhebungsvertrag seinem Regelungsgehalt nach nicht auf die Beendigung, sondern tatsächlich auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet; diese Befristung bedarf zur Wirksamkeit eines sachlichen Grundes i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG, andernfalls gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Dauer geschlossen.[2593]

Die Auslauffrist soll unterhalb der längsten einschlägigen (tariflichen oder gesetzlichen) Kündigungsfrist liegen, und darf nicht allein oder überwiegend dem Interesse des Arbeitgebers dienen.[2594] Somit kann im Fall der Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsfristen eine Kündigung mit einer Auslauffrist von bis zu sieben Monaten zum Monatsende (vgl. § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB) zulässig sein.[2595]

 

Praxishinweis

Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber tatsächlich keine weitere Erprobung, sondern vielmehr eine Befristung bezweckt (vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG), ist eine Umgehung des Kündigungsschutzes anzunehmen; die Beendigung wäre dann an § 1 KSchG zu messen. Dient die Kündigungsfrist hingegen der weiteren Erprobung des Arbeitnehmers und ist sie zu diesem Zweck objektiv angemessen, liegt die Verlängerung der Frist auch im Interesse des Arbeitnehmers und ist nicht zu beanstanden.[2596] Es ist ratsam, die für den Fall der Bewährung geltende aufschiebend bedingte Wiedereinstellungszusage klar zu formulieren, da diese den Zweck der weiteren Erprobung (und damit das Interesse des Arbeitnehmers an der Verlängerung der Kündigungsfrist) dokumentiert.[2597] Jedenfalls eine Dauer von vier Monaten für die Auslauf- bzw. Kündigungsfrist dürfte zulässig sein.[2598] Die somit insgesamt zur Verfügung stehende Probezeit von zehn Monaten sollte ausreichen, um den Arb...

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