Rz. 1726

Hat sich der Arbeitgeber zur Gewährung einer variablen Vergütung auf Basis einer noch abzuschließenden Zielvereinbarung verpflichtet, steht dem Arbeitnehmer in der Regel ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 283 S. 1, 252 BGB zu, wenn es nicht zum Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung kommt.[3957] Mit dieser Rechtsprechung lehnt das BAG jene Ansichten ab, die in diesem Fall eine Festsetzung der Ziele analog § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch Urteil[3958] bzw. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung befürworten[3959] oder die den Rechtsgedanken des § 162 BGB heranziehen wollen.[3960] Der Nichtabschluss einer Zielvereinbarung führt nicht automatisch zum Schadensersatz. Vielmehr muss der Arbeitgeber schuldhaft eine Vertragspflicht verletzt haben.[3961] In Betracht kommt insbesondere die Pflicht des Arbeitgebers, Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu initiieren bzw., falls die Initiative hierzu vertraglich nicht allein dem Arbeitgeber obliegt, auf Aufforderung des Arbeitnehmers in entsprechende Verhandlungen einzutreten.[3962] Seiner Verhandlungspflicht genügt ein Arbeitgeber nicht allein mit der Aufnahme von Verhandlungen; die Rechtsprechung verlangt vielmehr, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch tatsächlich realistische Ziele anbietet.[3963] Ein Angebot zur Fortsetzung der bisherigen Zielvereinbarung soll nur genügen, wenn sich die für den Abschluss dieser Zielvereinbarung maßgebenden Umstände nicht wesentlich geändert haben.[3964] Regelt der Vertrag die Initiativpflicht nicht, so dürfte diese im Zweifel beim Arbeitgeber liegen.[3965] Haben beide Parteien das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten, kommt ein gem. § 254 BGB geminderter Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in Betracht.[3966] Das BAG nimmt bei der Schadensermittlung durch das Gericht gem. § 287 Abs. 1 ZPO an, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte – es sei denn, besondere Umstände schließen diese Annahme aus. Dies müsste der Arbeitgeber dartun und gegebenenfalls nach­weisen.[3967]

[3957] BAG 14.11.2012 – 10 AZR 793/11, NZA 2013, 273, 274; BAG 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009, 1010; BAG 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 257; BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 877; Lakies, Inhaltskon­trolle von Arbeitsverträgen, Rn 985; Suckow u.a./Striegel, Rn 940, 944; Wisskirchen/Schwindling, ArbRAktuell 2017, 155, 157; Pfrogner, BB 2018, 757; Treichel, NJOZ 2012, 1097, 1099 f, der den Anspruch jedoch allein auf § 280 Abs. 1 BGB stützen will.
[3958] LAG Hessen 29.1.2002 – 7 Sa 836/01, juris; Mauer, NZA 2002, 540, 547 f.; Brors, RdA 2004, 273, 277; Riesenhuber/­v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785, 791; Behrens/Rinsdorf, NZA 2006, 830, 835.
[3959] LAG Köln 1.9.2003 – 2 Sa 471/03, juris; Hümmerich, NJW 2006, 2294, 2298; Schmiedl, BB 2004, 329, 331. Siehe auch LAG Hamm 24.11.2004 – 3 Sa 1325/04, juris.
[3960] LAG Köln 22.8.2007 – 3 Sa 358/07, juris; LAG Düsseldorf 28.7.2006 – 17 Sa 465/06, juris; LAG Köln 23.5.2002 – 7 Sa 71/02, NZA-RR 2003, 305, 307; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 883; Berwanger, BB 2003, 1499, 1502 f. Siehe auch Klein, NZA 2006, 1129.
[3961] BAG 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009, 1010; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, Kap. 5 Rn 481; Ders., Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, Rn 985, 988; Steinau-Steinrück/Vernunft, Rn 153.
[3963] BAG 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009, 1010; BAG 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 257; Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, Rn 986; Suckow u.a./Striegel, Rn 940; Däubler u.a./Däubler, Anhang Rn 418; Salamon, NZA 2014, 465, 466.
[3965] Treichel, NJOZ 2012, 1097, 1100; A.A. Suckow u.a./Striegel, Rn 943.
[3966] LAG Baden-Württemberg 20.1.2015 – 6 Sa 49/14, juris; MünchArbR/Krause, § 64 Rn 46; Steinau-Steinrück/Vernunft, Arbeitsvertragsgestaltung, Rn 153.

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