Rz. 1112

Das Recht eines Arbeitnehmers zur Ausübung von Nebentätigkeiten kann einzelvertraglich begrenzt werden. Hierbei gelten jedoch von Verfassungs wegen enge Grenzen. Soweit die Nebentätigkeit beruflicher Natur ist, kann sich der Arbeitnehmer auf das Grundrecht der freien Berufswahl stützen (Art. 12 Abs. 1 GG).[2508] Diese schützt nicht nur die Ausübung eines Haupt-, sondern auch eines Nebenberufs bzw. beruflicher Nebentätigkeit.[2509] Nichtberufliche Tätigkeiten sind durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt.[2510] Der Schutz dieser Grundrechte ist jedoch nicht grenzenlos. Es ist von Verfassungs wegen anerkannt, dass Nebentätigkeiten prinzipiell nicht zur Vernachlässigung oder Beeinträchtigung hauptberuflicher Pflichten führen dürfen.[2511] Dies ist im Rahmen der allgemeinen Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen.[2512] So benachteiligt ein generelles Verbot von Nebentätigkeiten den Arbeitnehmer unangemessen.[2513] Zulässig sind jedoch Klauseln, die die Aufnahme einer Nebentätigkeit von der Einwilligung des Arbeitgebers abhängig machen, soweit der Arbeitgeber seine Einwilligung nur bei einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen versagen darf.[2514] Ob der Kreis schützenswerter betrieblicher Interessen vertraglich über die Interessen ausgedehnt werden kann, die einem Arbeitgeber ohnehin die Untersagung einer Nebentätigkeit gestatten (siehe oben Rdn 1110), ist zweifelhaft. Im Ergebnis verbessert ein Einwilligungsvorbehalt die Rechtsposition des Arbeitgebers damit nur insoweit, als der Arbeitnehmer solche Tätigkeiten vor ihrer Aufnahme anzeigen muss.[2515] Das ermöglicht dem Arbeitgeber bereits im Vorfeld die Prüfung, ob betriebliche Interessen betroffen sein können. Die unterlassene Anzeige der Nebentätigkeit berechtigt den Arbeitgeber zur Abmahnung.[2516] Das gilt selbst dann, wenn dem Arbeitnehmer objektiv ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zustand.[2517] Hat der Arbeitnehmer objektiv betrachtet einen Anspruch auf Erlaubnis der Nebentätigkeit und hat er diese dem Arbeitgeber auch angezeigt, so muss er mit der Aufnahme nicht bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung warten.[2518]

[2509] BVerfG 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01, NVwZ 2004, 597, 599; BVerfG 4.11.1992 – 1 BvR 79/85 u.a., NJW 1993, 317, 318; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 GG Rn 216, 294; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 12 GG Rn 7.
[2511] Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 GG Rn 216, 294; zum Beamtenrecht vgl. BVerfG 25.11.1980 – 2 BvL 7, 8, 9/76, NJW 1981, 971, 974.
[2512] Vgl. zur Beachtung grundrechtlich geschützter Positionen etwa BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NJW 2010, 550, 553.
[2513] BAG 6.9.1990 – 2 AZR 165/90, NZA 1991, 221, 223; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn 728; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, Kap. 5 Rn 322; Steinau-Steinrück/Vernunft, Rn 260; Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, Rn 772; weiter AGB-ArbR/Klumpp, § 307 Rn 208 und MünchArbR/Reichhold, § 55 Rn 59, die für Führungskräfte ein absolutes Nebentätigkeitsverbot für zulässig halten; für "hochbezahlte Manager" ebenso Liebscher, öAT 2018, 246.
[2514] BAG 13.3.2003 – 6 AZR 585/01, NZA 2003, 976, 977; BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965, 967. Ebenso HWK/Thüsing, § 611a BGB Rn 524; Däubler u.a./Däubler, Anhang Rn 355; a.A. Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, Kap. 5 Rn 322; Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, Rn 775; differenzierend AGB-ArbR/Klumpp, § 307 Rn 209.
[2516] Hümmerich/Reufels/Mengel, Rn 3268.
[2517] BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965, 967; HWK/Thüsing, § 611a BGB Rn 529.

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