Rz. 56

Neben der Geschäftsgebühr spielt in der Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG eine wichtige Rolle. Dies gilt umso mehr, als dass das RVG keinen förmlichen Vergleichsabschluss i.S.d. § 779 BGB für den Anfall der Gebühr verlangt. Vielmehr wird für das Entstehen einer Einigungsgebühr (früher "Vergleichsgebühr") lediglich die Mitwirkung an einem Vertrag gefordert, durch welchen der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dieser Vertrag kann sich auf einzelne Schadenspositionen oder auf die Abrechnung des gesamten Schadens beziehen. Ein gegenseitiges Nachgeben ist dabei nicht zwingend erforderlich. Lediglich bei einem Anerkenntnis oder einem Verzicht fällt keine Einigungsgebühr an.

 

Rz. 57

Diese Gesetzesänderung hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis: Während früher beispielsweise ein für das Vorliegen eines Vergleichs erforderliches gegenseitiges Nachgeben dann nicht vorlag, wenn der Versicherer lediglich aufgrund neu vorgebrachter oder ermittelter Tatsachen einseitig von der ursprünglichen Position Abstand nahm und nunmehr einen erhöhten Betrag ausglich,[38] so kann jetzt die Einigungsgebühr auch bei einem einseitigen Nachgeben entstehen, solange kein Anerkenntnis vorliegt. Eine Einigungsgebühr entsteht auch bei der Vereinbarung einer Ratenzahlung, bei der auf Seiten des Schuldners aufgrund der durchgeführten Zahlung (an sich) kein Nachgeben zu verzeichnen ist.[39]

 

Rz. 58

Eine Einigungsgebühr fällt allerdings nicht an, wenn der abgeschlossene Vertrag ein Anerkenntnis der gesamten Forderung beinhaltet.

 

Rz. 59

Die Höhe der Einigungsgebühr richtet sich danach, ob über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren anhängig ist (dann 1,0 Gebühr) oder nicht (dann 1,5 Gebühr). Wird in einem gerichtlichen Verfahren eine Einigung über rechtshängige Gegenstände wie auch nicht rechtshängige erzielt, ist jeweils zwischen den unterschiedlichen Gegenständen zu unterscheiden und die jeweils einschlägige Gebühr zu berücksichtigen. In der Summe darf jedoch kein höherer Betrag als eine 1,5 Einigungsgebühr aus dem Gesamtwert gefordert werden.

 

Rz. 60

Bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs kann regelmäßig angenommen werden, dass die Parteien diesen der gleichen Kostenregelung wie derjenigen des Rechtsstreits unterwerfen möchten, auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wird. Dies deshalb, weil der gerichtliche Vergleich zum eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit gesehen werden. Die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs gehören dagegen nur dann zu den zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben.[40]

 

Rz. 61

Für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr reicht es aus, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Parteien eine Vereinbarung im Sinne von Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 VV RVG geschlossen haben.[41] Die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist daher nicht erforderlich. Es genügt auch, dass die Parteien sich nur über die Hauptsache, nicht aber die Kosten geeinigt haben.[42]

 

Rz. 62

Eine Einigungsgebühr kann bei einer Vielzahl von Verhandlungen eintreten, so u.U. auch im Zusammenspiel mit einem Anerkenntnis.

[38] BGH NJW 1970, 1122.
[39] Thüringer OLG MDR 2006, 1436; AnwK-RVG, 7. Aufl., VV 1000 Rn 97 ff.
[40] Zur Abgrenzung vgl. BGH NJW 2009, 519; OLG Frankfurt NJW 2005, 2465.
[41] BGH NJW 2007, 2187; OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 28; der 8. Zivilsenat hat seine diesem entgegenstehende Auffassung (BGH NJW 2006, 1523) zwischenzeitlich aufgegeben.
[42] OLG Köln AGS 2010, 219.

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