Rz. 219

In den Ausführungen der amtlichen Unfallstatistiken (siehe Rdn 144 ff.) ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Unfallursachen Alkohol, Drogen/Medikamente und Verkehrsdelikte eine große Rolle für die Verkehrssicherheit spielen. Andererseits geht man allgemein (und auch bei den Betroffenen) davon aus, dass die Strafen und insbesondere die Entziehung der Fahrerlaubnis eine nachhaltige Wirkung auf die Verurteilten haben. Festhalten kann man aber wohl, dass Strafen u. Ä. tatsächlich keine hinreichend spezialpräventive Wirkung entfalten und die Rückfallquote in ein ähnliches Delikt vor allem für Fahrer mit Verkehrsauffälligkeiten sehr hoch ist.

 

Rz. 220

Die Teilnahme an einer MPU ist aufseiten der Fahrerlaubnisbehörden und Begutachtungsstellen mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Für den Klienten stellen solche Maßnahmen darüber hinaus noch eine nicht unerhebliche finanzielle und zeitliche Belastung dar, sodass sich folglich die Frage nach ihrer Wirksamkeit stellt. Um die Güte der Prognosen Medizinisch-Psychologischer Untersuchungen und ihre positive Wirkung auf die Verkehrssicherheit überprüfen zu können, werden immer wieder Studien durchgeführt.

 

Rz. 221

Bereits 1996 konnten Jacobshagen/Utzelmann[73] zeigen, dass durch Medizinisch-Psychologische Untersuchungen die Rückfallquote der Alkoholauffälligen wie auch der untersuchten Fahrer mit hohem Punktestand im Verkehrszentralregister in Flensburg halbiert wird. Doch auch neuere Untersuchungen untermauern den positiven Einfluss von MPU und Kursen auf die Verkehrssicherheit und sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

 

Rz. 222

Die erste Untersuchung stammt von Stephan[74] aus dem Jahr 1984. Er untersuchte die Rückfallzahlen für alkoholauffällige Kraftfahrer nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis 1973. Nach drei Jahren wurde für Ersttäter eine Rückfallquote von 24,9 %, für wiederholt Alkoholauffällige von 16,7 % und für Mehrfachtäter (drei und mehr Alkoholverstöße) von 26,7 % ermittelt. Zu beachten ist hierbei, dass nicht alle Kraftfahrer eine MPU absolvieren mussten.

 

Rz. 223

Jüngere Studien zeigen hingegen eine höhere Wirksamkeit. Die Studie ALKOEVA überprüfte Rückfallzahlen nach einer positiven MPU mit Alkoholfragestellung für Kraftfahrer aus den Jahren 1979 bis 1983 und ermittelte eine Quote von 18,8 % nach drei Jahren. EVAGUT berücksichtigte ebenfalls diesen Zeitraum zur Legalbewährung alkoholauffälliger Kraftfahrer von 1987 bis 1989 und kam zu dem Ergebnis, dass zwischen 9,9 % und 12,2 % nach einer positiven MPU rückfällig wurden (vgl. Hilger/Ziegler/Rudinger/DeVol/Jansen/Laub/Müller/Schubert[75]).

 

Rz. 224

Seit diesen Untersuchungen wurden einige Änderungen im deutschen Fahrerlaubnissystem vorgenommen:

2000: Einführung der "Begutachtungsleitlinien" und der "Akkreditierung" der Begutachtungsstellen durch die BASt,
2001: Einführung der 0,5-Promillegrenze,
2005: Einführung der "Beurteilungskriterien".
 

Rz. 225

Aufgrund dieser Änderungen war eine erneute Überprüfung der Legalbewährung der MPU sinnvoll. Hierzu wurden Kraftfahrer, die zwischen 2005 und 2006 mit Alkoholfragestellungen begutachtet wurden, auf ihre Rückfallzahlen untersucht. Der beobachtete Zeitraum erstreckte sich dabei analog zu den vorangegangenen Studien über drei Jahre.

 

Rz. 226

Die MPU-Stichprobe wurde in Ersttäter und wiederholt auffällige Kraftfahrer sowie nach MPU-Ausgang (positiv vs. § 70 Kursempfehlung) unterteilt und zur Legalbewährung mit einer Zufallsstichprobe aus dem VZR verglichen. Diese bestand aus Kraftfahrern, die innerhalb des Rekrutierungszeitraums einmalig mit einer Alkoholordnungswidrigkeit (OWi) aufgefallen waren. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen hatte die OWi-Gruppe ihre Fahrerlaubnis behalten und keine MPU absolviert. Die Ergebnisse aus den VZR-Abfragen können der Tabelle 19.11[76] entnommen werden.

 

Tab. 19.11: Ergebnisse der VZR-Abfragen gegliedert nach Anlassgruppe und MPU-Ausgang im Vergleich zur Ordnungswidrigkeiten-Stichprobe (OWi)

  MPU-Stichprobe OWi-Stichprobe
erstauffällig, positiv wiederholt auffällig, positiv erstauffällig, § 70

wiederholt auffällig,

§ 70
Rückfall 6,5 % 8,3 % 8,0 % 6,8 % 8,2 %
kein Rückfall 93,5 % 91,7 % 92,0 % 93,2 % 91,8 %
 

Rz. 227

Den Daten kann entnommen werden, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit sowohl in den MPU-Gruppen als auch in der OWi-Gruppe mit unter 9 % sehr gering ist. Zwischen den einzelnen Gruppen unterscheidet sie sich nicht signifikant, d.h. nicht überzufällig. Werden diese Befunde positiv ausgedrückt, bedeutet dies, dass sich zwischen 91,7 % und 93,5 % aller beobachteten Fälle nach der MPU bzw. Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr bewähren und zumindest in den folgenden drei Jahren nicht erneut durch alkoholisierte Verkehrsteilnahme auffallen.

 

Rz. 228

Die Ergebnisse verdeutlichen einerseits, dass die Prognose der MPU bei alkoholauffälligen Kraftfahrern sehr genau ist. Andererseits sind die ermittelten Zahlen der Legalbewährung gleichermaßen ein Beleg für die Wirksamkeit im Sinne der Rückfallpräventi...

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