Rz. 11

Der öffentliche Straßenverkehr ist ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Teilnehmer und wird aufgrund seines hohen Gefährdungspotenzials stark reglementiert. Zu den wichtigsten Gesetzesgrundlagen zählen das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Hierin ist für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen bindend festgelegt, wie sie sich im öffentlichen Straßenverkehr zu verhalten haben. Das Prinzip der Gleichbehandlung gilt auch für den Fall eines Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen. Welche Konsequenzen ein bestimmter Verstoß hat, ist u.a. in den Bußgeldkatalogen und dem Mehrfachtäter-Punktesystem festgeschrieben und für alle "Verkehrssünder" gleich. Folglich werden alle Verhaltensweisen im Straßenverkehr an identischen Regeln gemessen und Verstöße nach identischen Grundsätzen bewertet sowie identische Sanktionen in die Wege geleitet. Vonseiten der Fahrerlaubnisbehörden sind in besonders gravierenden Fällen, wie beispielsweise der wiederholten Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss, einschneidende Maßnahmen, wie etwa der Fahrerlaubnisentzug, zu ergreifen.

 

Rz. 12

Häufig wird die Anordnung zur Teilnahme an einem Nachschulungskurs oder zur Vorlage eines Gutachtens über die Fahreignung von den Betroffenen als Strafe empfunden. Jedoch liegt es nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, ob ein Nachweis erbracht werden muss oder nicht. Die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist durch entsprechende Gesetzestexte (§§ 10, 11, 13, 14 und Anlage 4 FeV) klar geregelt. So wird der Nachweis über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Regel erforderlich, wenn:

eine Ausnahme vom Erfordernis des Mindestalters gemacht werden soll,
ein Fahrerlaubnisbewerber in der Fahrprüfung erhebliche Auffälligkeiten zeigt,
ein erheblicher Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften vorliegen,
es zu einer erheblichen Straftat oder wiederholten Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gekommen ist,
Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Fahreignung bekannt werden, die auf ein hohes Aggressionspotenzial schließen lassen,
Fahrer mit besonderer Verantwortung bei der Fahrgastbeförderung überprüft werden,
durch ein ärztliches Gutachten Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch vorliegen,
es zu wiederholten Alkoholauffälligkeiten im Straßenverkehr gekommen ist,
eine einmalige Alkoholauffälligkeit mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,6 ‰ oder einer entsprechenden Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,8 mg/l aktenkundig wird,
geprüft werden soll, ob ein Alkoholmissbrauch oder eine Alkoholabhängigkeit noch vorliegt,

eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bekannt wird und weitere Zweifel an der Fahreignung begründet sind, dadurch dass

zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert werden,
ein polyvalenter Drogenkonsum vorliegt oder
eine Persönlichkeitsstörung vorliegt,
geprüft werden soll, ob der Betroffene noch abhängig ist oder weiterhin Stoffe im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, psychoaktiv wirkende Arzneimittel oder sonstige psychoaktiv wirkende Stoffe einnimmt,
die Fahrerlaubnis mehrfach entzogen wurde oder
aus einem der vorgenannten Gründe entzogen wurde.
 

Rz. 13

In einer MPU kann also noch vor dem Entzug der Fahrerlaubnis überprüft werden, ob diese Maßnahme wirklich angemessen und erforderlich ist.

Somit ergänzen Ärzte und Psychologen, die in entsprechenden Fällen auch technische Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr einbeziehen können, in der Begutachtung das Prinzip der Gleichbehandlung um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu auch Geiger[1]). Dabei fungieren die amtlich anerkannten Begutachtungsstellen als unabhängige und neutrale Instanzen bei der Wahrung und Abwägung der z.T. konkurrierenden Interessen nach Verkehrssicherheit einerseits und nach Berücksichtigung von Persönlichkeitsrechten des betroffenen Kraftfahrers andererseits (vgl. Rdn 55).

 

Rz. 14

Bei einer Ersterteilung oder nach Fahrerlaubnisentzug muss bei der Fahrerlaubnisbehörde ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt werden. Ergeben sich dann aus der Aktenlage Zweifel an der Eignung (s.o.), veranlasst die Behörde die Durchführung einer MPU. Hierzu wird dem Antragsteller üblicherweise eine Liste mit amtlich anerkannten Begutachtungsstellen aus der Region zur Verfügung gestellt, von denen er eine benennen kann. Alternativ kann er auch eine nicht aufgelistete Begutachtungsstelle mit der Untersuchung beauftragen. Dabei muss er jedoch darauf achten, dass die Stelle amtlich anerkannt ist (vgl. Rdn 29). Die Fahrerlaubnisbehörde übersendet der benannten Begutachtungsstelle in Vorbereitung auf die Untersuchung die Führerscheinakte des Antragstellers. Nach Akteneingang wird in der Begutachtungsstelle die Untersuchung durchgeführt, das Gutachten verfasst und an den Begutachteten (Antragsteller) übersandt. Der Antragsteller le...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge