Rz. 119

Eine zentrale Bedeutung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments haben daher die Pflichtteilsansprüche der zunächst weichenden Abkömmlinge (ggf. auch der Eltern), insbesondere dann, wenn sich die Ehepartner zu alleinigen unbeschränkten Vollerben einsetzen (Einheitslösung). In der Praxis versucht man, durch die Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen vorzubeugen. Ferner soll die Pflichtteilsklausel davor schützen, dass diejenigen Abkömmlinge, die einen Pflichtteil am Nachlass des Erstversterbenden nicht geltend gemacht haben, nicht dadurch benachteiligt werden, dass derjenige, der schon einen Pflichtteilsanspruch erhalten hat, noch einmal als Schlusserbe am Nachlass beteiligt wird und somit eine wirtschaftliche Besserstellung erfährt.[202] Dies kann durch belohnende Vermächtnisse erfolgen, die gleichzeitig den Nachlass des überlebenden Ehepartners schmälern (Pflichtteilsstrafklausel).

 

Rz. 120

Fest steht, dass die Pflichtteilsklausel lediglich eine "Abschreckungsfunktion" hat, der Anspruch an sich dadurch nicht verhindert wird. Mit der Anordnung einer Pflichtteilsklausel kann dem Bedachten daher der Pflichtteil nicht genommen werden, die Zuwendung soll vielmehr hierauf beschränkt werden.[203]

 

Hinweis

Wollen Ehegatten sichergehen, dass eine Belastung des Überlebenden mit Zahlungsansprüchen nicht erfolgt, so müssen sie mit ihren Abkömmlingen einen Pflichtteilsverzichtsvertrag schließen (§ 2346 Abs. 2 BGB). Ein solcher Pflichtteilsverzicht bietet sich aber auch zwischen den Ehepartnern an, damit auch von dieser Seite nach dem Eintritt des ersten Erbfalls kein Störfaktor für die gemeinsam testierte Vermögensnachfolge entsteht.[204]

 

Rz. 121

An der Wirksamkeit von Pflichtteilsklauseln bestehen nach einhelliger Meinung keine Zweifel, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehegatten jeweils ihre Kinder aus ersten Ehen zu Schlusserben einsetzen und die Pflichtteilsklausel dazu führt, dass diejenigen Abkömmlinge, die nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil verlangen, im Schlusserbfall nichts mehr erhalten.[205] Dem Erblasser steht es grundsätzlich frei, über sein Vermögen zu verfügen.[206] Die Grenze bildet lediglich das Pflichtteilsrecht. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Klauseln:

die so genannte Anrechnungsklausel, bei der der Schlusserbe sich seinen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch auf seine Erbquote im Schlusserbfall anrechnen lassen muss[207]
die einfache Ausschlussklausel, bei der der Abkömmling auflösend bedingt zum Schlusserben bestimmt wurde, und
die so genannten Pflichtteilsstrafklauseln (Jastrow'sche Klausel), bei denen diejenigen Abkömmlinge, die im ersten Erbfall keine Pflichtteile verlangt haben, zusätzlich belohnende und den Nachlass des überlebenden Ehepartners reduzierende Vermächtnisse erhalten.[208]
[202] Vgl. J. Mayer, MittBayNot 1996, 80.
[203] V. Olshausen, DNotZ 1979, 707.
[204] Vgl. hierzu Nieder/Kössinger, § 14 Rn 72, 73.
[205] BayObLG ZEV 1995, 191; BGH FamRZ 1991, 796.
[206] BGHZ 111, 36.
[207] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 119.
[208] Jastrow, DNotV 1904, 424.

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