Rz. 131

Eine weitere Möglichkeit einer Pflichtteilsklausel ist die so genannte einfache Ausschlussklausel. Die Ehegatten bestimmen hier, dass im Falle der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs der Abkömmling im zweiten Todesfall enterbt ist (automatische Ausschlagungsklausel). Zu überlegen bleibt hier, ob die Enterbung (Bedingung) in allen Fällen der Geltendmachung oder nur dann eintreten soll, wenn der Pflichtteil entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten verlangt wird. Für Letzteres spricht die Tatsache, dass es bspw. aus erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein kann, dass die Abkömmlinge trotz gegenseitiger Erbeinsetzung der Eheleute zur Wahrung ihres Freibetrages den Pflichtteil fordern.[239] Ferner sollte überlegt werden, ob bereits in dem Auskunftsverlangen oder der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs der Tatbestand der Pflichtteilsklausel erfüllt sein soll. Ferner kann die automatische Ausschlussklausel dazu führen, dass der überlebende Ehepartner nach dem Tod des Erstversterbenden aufgrund einer möglichen bindenden Schlusserbeneinsetzung, die (automatische) Enterbung nicht mehr korrigieren kann.[240] Als weitere Rechtsfolge sollte die Klausel eine Regelung beinhalten, ob im Falle der Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten seine Abkömmlinge Ersatzerben werden oder ob eine Anwachsung (§ 2094 Abs. 1 BGB) eintreten soll. Wie oben unter Rdn 126 ausgeführt ist auch zu berücksichtigen, ob der Pflichtteil durch den Berechtigten selbst oder einen Dritten (z.B. Sozialhilfeträger) geltend gemacht wird.

 

Rz. 132

Muster 19.27: Einfache Pflichtteilsklausel

 

Muster 19.27: Einfache Pflichtteilsklausel

Verlangt einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil, Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich aller angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.

Die hier angeordnete auflösend bedingte Schlusserbeinsetzung wird in nicht wechselbezüglicher und bindender Weise getroffen, so dass der überlebende Ehegatte die Möglichkeit hat, die Enterbung für den Schlusserbfall zu widerrufen bzw. abzuändern. Er kann jedoch nur den Zustand wiederherstellen, der vor Eintritt der Enterbung bestanden hat. Er ist nicht berechtigt, eine ansonsten andere Schlusserbfolge anzuordnen.

Ein Pflichtteilsverlangen liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch in einer den Verzug begründenden Weise geltend gemacht hat. Dem gleichgestellt ist der Fall, dass der Berechtigte einen Wertermittlungsanspruch geltend gemacht hat. Das bloße Auskunftsverlangen auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses führt hingegen nicht zum Eintritt der Bedingung und zu einer Enterbung im Schlusserbfall.

Wird der Pflichtteilsanspruch nach dem Tode des überlebenden Ehepartners im Einvernehmen mit allen Schlusserben geltend gemacht, erfüllt dies ebenfalls nicht den Tatbestand der auflösenden Bedingung.[241] Gleiches gilt, wenn der Anspruch durch einen Nichtberechtigten (der bspw. erst am Nachlass des überlebenden Pflichtteilsberechtigt ist) geltend gemacht wird.

Wird der Pflichtteilsanspruch durch einen Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht (bspw. nach § 93 SGB XII oder § 33 SGBII) geltend gemacht, löst dies den Tatbestand der Bedingung nicht aus. Wird der Pflichtteilsanspruch durch einen Betreuer oder einem Dritten geltend gemacht, führt dies zum Eintritt der auflösenden Bedingung.

 

Hinweis

Haben die Ehepartner lediglich Kinder aus vorangegangenen Beziehungen und machen diese beim Ableben ihres Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend, kann die Formulierung, dass sie im Schlusserbfall auch nur ihren Pflichtteil erhalten, als Vermächtnis ausgelegt werden.[242]

 

Rz. 133

Muster 19.28: Erweiterung der Pflichtteilsklausel auf Angriffe auf die Erbenstellung

 

Muster 19.28: Erweiterung der Pflichtteilsklausel auf Angriffe auf die Erbenstellung

Gleiches gilt für den Fall, dass einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden die Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten angreift, d.h. unsere letztwillige Verfügung anficht, die Testierunfähigkeit eines von uns behauptet, die Wirksamkeit unserer letztwilligen Verfügung anderweitig bestreitet oder einer unserer Abkömmlinge einen Antrag auf Einziehung des Erbscheins, der den überlebenden Ehepartner als Alleinerben ausweist stellt oder gegen die Beantragung Einwendungen erhebt.

[239] Vgl. hierzu Ebeling, NJW 1998, 358; Dressler, NJW 1997, 2848.
[240] Vgl. J. Mayer, ZEV 1998, 54; BayObLG ZEV 2004, 202 m. Anm. Ivo.
[241] Dies kann aus erbschaftsteuerlichen Gründen sinnvoll sein, da nach Auffassung des BFH, Urt. v. 19.2.2013 – II R 47/11, FamRZ 2013, 700, eine Geltendmachung am Nachlass des zuerst Verstorbenen zumindest noch so lange erfolgen kann, solange der Pflichtteilsanspruch nicht verjährt ist.
[242] BGH NJW-RR 1991, 706.

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