Rz. 78

Gerade unter Bezugnahme auf eine heimliche Aufnahme ohne jegliche Kontrolle lässt sich aber auch unter Rückgriff auf die jetzt mit deutlich schärferen Sanktionen bei einem Datenschutzverstoß geltende DSGVO ein Verwertungsverbot argumentativ begründen.

 

Rz. 79

Muster 18.12: Widerspruch gegen eine Verwertung der Dashcam-Aufnahme im Zivilprozess

 

Muster 18.12: Widerspruch gegen eine Verwertung der Dashcam-Aufnahme im Zivilprozess

Der Verwertung der Aufnahme vom _________________________ als Beweismittel im Zivilprozess wird hiermit

widersprochen,

da sie einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aller aufgenommen Personen beinhaltet und mangels einer Rechtfertigungsgrundlage gegen das Verbot des Erhebens personenbezogener Daten nach der DSGVO verstößt.

Insbesondere hält diese Aufnahme einer Abwägung der betroffenen beiderseitigen Interessen nach dem Maßstab des § 6b BDSG als allein in Betracht kommende Rechtfertigungsgrundlage nicht stand (VG Ansbach, Urt. v. 12.8.2014 – AN 4 K 13.01634 = DAR 2014, 663).

Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wiegt umso schwerer, wenn bedacht wird, dass es sich um eine heimliche Aufnahme ohne jegliche Kontrolle handelt. Diesem hinzukommt, dass es sich um eine Aufnahme ohne einen konkreten Anlass handelt, bei welcher permanent ohne jeglichen Hinweis eine Vielzahl an betroffenen Teilnehmern im Straßenverkehr ohne ihr Einverständnis aufgenommen wird. Derartige verdachtslose Eingriffe, bei denen zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, stellen einen schwerwiegenden Eingriff dar (BVerfG, Urt. v. 23.2.2007 – 1 BvR 2368/06 = NJW 2007, 2320). Auf welchem Datenträger die dabei betroffenen personenbezogenen Daten gespeichert werden bleibt ebenso unklar wie letztendlich das mit der Aufnahme verfolgte Ziel, welches allein von nachträglichen Erklärungen abhängt. Bei diesem Vorgehen einer heimlichen Aufnahme bestünde letztendlich sogar die Möglichkeit einer umfassenden Überwachung einzelner Personen oder Straßenabschnitte bis hin zu dem Erstellen eines persönlichen Bewegungsprofils (AG München, Beschl. v. 13.8.2014 – 345 C 5551/14 = SP 2015, 17). Fehlen dabei auch weitere Kontrollmechanismen zu der Speicherung und Verwendung dieser Daten ist deren Verwertung im Prozess nicht zulässig (LG Heilbronn, Urt. v. 17.2.2015 – I 3 S 19/14 = DAR 2015, 211), denn es ist von einem schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen auszugehen, der bei permanenten heimlichen Aufnahmen nicht gestattet (VG Ansbach, Urt. v. 12.8.2014 – AN 4 K 13.01634 = DAR 2014, 663). Dies gilt erst recht bei intensiven Eingriffen durch die Aufnahmen, welche über den eigentlichen Bereich des Straßenverkehrs hinausgehen (LG Memmingen, Urt. v. 14.1.2016 – 22 O 1983/13 = DAR 2016, 143).

Diesem steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 15.5.2018 entgegen, die zudem darauf hinweist, dass jegliches Beweisverwertungsverbot von einer Einzelfallprüfung abhängt. Dass hier ein gleicher Beweisnotstand wie im BGH Fall zugunsten des Aufnehmenden zu berücksichtigen wäre ist auch schon fraglich. Jedenfalls liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen einen fehlenden Rechtfertigungsgrund nach Art. 6 DSGVO vor, da insbesondere dem Grundsatz von Privacy von Design nicht Rechnung getragen wird und es sich um eine dauerhafte Aufnahme ohne jegliche weitere Einschränkung wie eine auf wenige Minuten begrenzte Schleifenfunktion, eine Verpixelung oder eine Kennwortsicherung handelt.

Der BGH hatte sich nur mit einem Datenschutzverstoß gegen das BDSG a.F. zu beschäftigen. Der hier vorliegende Verstoß gegen die DSGVO wiegt ungleich schwerer: Die besondere Brisanz dieser Gesichtspunkte wird dadurch unterstrichen, dass bei einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, insbesondere dem Fehlen eines Rechfertigungsgrundes nach Art. 6 DSGVO, einem Verstoß gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit nach Art. 5 Abs. 1c DSGVO oder auch einem Verstoß gegen die Informationspflicht nach Art. 14 DSGVO zum einen eine Sanktion der zuständigen Aufsichtsbehörde nach Art. 83 DSGVO erfolgen kann oder zum anderen auch der Betroffene einen Schadensersatzanspruch nach Art 82 DSGVO geltend machen kann. Dazu gehört auch ein möglicher immaterieller Ausgleichsanspruch wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, der unter dem Gesichtspunkt möglicher generalpräventiver Erwägungen zur Gewährleistung eines effektiven Datenschutzes deutlicher als bisher zu einer Schmerzensgeldforderung berechtigen kann (vgl. Wybitul NJW 2018,113). Die Bußgelder sind um mehr als das 30fache erhöht worden und all dies unterstreicht das deutlich größere Gewicht eines Datenschutzverstoßes gegen die DSGVO.

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