Rz. 138

Die frühere Streitfrage, ob eine Entscheidung wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit auch dann mit einer außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden kann, wenn sie kraft Gesetzes unanfechtbar ist, hat der BGH mit Inkrafttreten der ZPO-Reform eindeutig entschieden und im Ergebnis abgelehnt.[91] Seine frühere Rechtsprechung[92] hat er dabei ausdrücklich aufgegeben.

 

Rz. 139

Nach der Auffassung des BGH ist mit dem Inkrafttreten der Zivilprozessreform und des damit neu geregelten Beschwerderechts gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts nur noch in den Fällen der zulässigen Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO seine Anrufung möglich.[93]

 

Rz. 140

Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH ist auch dann nicht statthaft, wenn ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird oder die Beschwerdeentscheidung aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzwidrig" ist.[94]

 

Rz. 141

 

Tipp

In Fällen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts oder bei "greifbarer Gesetzwidrigkeit" der angegriffenen Maßnahme hat der Rechtsanwalt zu prüfen, ob die Korrektur der Entscheidung im Wege der Gehörsrüge nach § 321a ZPO möglich ist. Bleibt er hiermit erfolglos, kann er eine Revision der anzufechtenden Entscheidung nur noch im Wege der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erreichen.

 

Rz. 142

Damit ergibt sich für die Rüge der Verletzung von Verfahrensgrundrechten und bei greifbarer Gesetzwidrigkeit von Entscheidungen folgender Rechtsweg:

In Klageverfahren ist zunächst der ordentliche Rechtsweg mit Klage, Berufung und Revision auszuschöpfen, wobei auf den Revisionsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besonders hinzuweisen ist. Ist auch letztinstanzlich kein Erfolg zu verzeichnen gewesen, bleibt nur die Verfassungsbeschwerde, da gegen Urteile eine Gegenvorstellung nicht möglich ist.
Soweit eine Berufung nicht statthaft ist, ist zunächst das Fortsetzungsverfahren nach § 321a ZPO zu betreiben. Anschließend kann im Wege der Verfassungsbeschwerde vorgegangen werden. Hier ist das Gegenvorstellungsverfahren durch das Fortsetzungsverfahren beim gleichen Gericht ersetzt. Ein weiteres Überdenken der gleichen Fragen nach einer Gegenvorstellung ist nicht erforderlich.
In Beschwerdeverfahren ist zunächst die sofortige Beschwerde und – soweit zugelassen – die Rechtsbeschwerde zu erheben. Ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden, ist die Gehörsrüge bzw. Gegenvorstellung in der Frist des § 321a ZPO zu erheben. Wird diese zurückgewiesen, ist der Weg für die Verfassungsbeschwerde eröffnet.
 

Rz. 143

 

Hinweis

Dabei ist zu beachten, dass das Ausgangsgericht trotz § 318 ZPO nicht gehindert ist, seine Entscheidung auf die Gegenvorstellung hin zu ändern, wenn die Entscheidung anderenfalls auf eine Verfassungsbeschwerde hin aufzuheben wäre und damit ohnehin keine Bestandskraft entfalten könnte.[95]

[91] BGH NJW 2002, 1577; bestätigt durch Beschlüsse v. 21.3.2002 – IX ZB 22/02, IX ZB 61/02 und IX ZB 74/02; vgl. auch Greger, NJW 2017, 3089.
[92] BGHZ 119, 372; 121, 397.
[95] BGHZ 130, 97 = NJW 1995, 2497; BGH NJW 1998, 82; NJW 2000, 590; NJW 2002, 754.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge