Rz. 27

In der Person des Schädigers kommt für die Bemessung einer angemessenen Kompensation auch die Berücksichtigung verschiedenster Umstände in Betracht, so unter anderem:

 

Rz. 28

1. Auch wenn namentlich im hier in Rede stehenden Unfallhaftpflichtrecht die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes hinter der Ausgleichsfunktion weitgehend zurücktritt,[99] so ist – wie gesehen (vgl. oben Rdn 19 ff.) – anerkanntermaßen gleichwohl Raum für die Berücksichtigung des Vorliegens sowie des Maßes bzw. Grads etwaigen – jedenfalls gravierenden, also namentlich vorsätzlichen, aber auch grob-fahrlässigen oder leichtfertigen – Verschuldens des Schädigers.[100] Der Umstand, dass ein Schaden durch ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten eines anderen hervorgerufen wurde, wirkt sich erfahrungsgemäß auf den Verletzten verbitternd aus, während ein durch leichte Fahrlässigkeit verursachter Schaden eher als Schicksal hingenommen wird. Daher ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unter anderem auch zu berücksichtigen, dass bei einem Verkehrsunfall jemand – wie z.B. die Mitfahrerin auf einem Motorrad – völlig schuldlos Opfer eines grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangenen Verstoßes gegen die Wartepflicht des Linksabbiegers im Gegenverkehr wurde.[101] Für die Bemessung des Schmerzensgeldes wirkt sich aber eine strafgerichtliche Verurteilung des Schädigers nicht etwa mindernd aus.[102] Mindernd ist indessen ein etwa vorliegendes, besonders geringes Verschulden eines minderjährigen Kindes zu berücksichtigen.[103]
2. Auch eine etwaige Betriebsgefahr, für die der Schädiger (wie auch – spiegelbildlich im Rahmen des Mitverschuldens – der Verletzte) z.B. als Kraftfahrzeughalter nach § 7 Abs. 1 StVG einzustehen hat, ist als Gesichtspunkt zu berücksichtigen.[104]
3. Durchaus von Bedeutung sein können auch die (z.B. familiäre) Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem sowie Art und Anlass der Verletzungshandlungen. So schuldet beispielsweise ein (Ehe-)Partner bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch seinem Partner grundsätzlich ein angemessenes Schmerzensgeld. Das schließt es jedoch nicht aus, – in Ausnahmefällen – mit Blick auf das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme der Korrektivfunktion des Merkmals der "billigen Entschädigung" im Einzelfall besondere Beachtung zu schenken.[105] Keine Bedenken bestehen auch dagegen, im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung eine sonstige Nähebeziehung, z.B. eine langjährige Freundschaft, der Beteiligten wie etwa auch den Umstand, dass die Verletzung im Rahmen einer Gefälligkeit(-sfahrt) oder gemeinsamen Zechtour erfolgte, gebührend zu berücksichtigen.[106]
4. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Schädigers[107] berücksichtigungsfähig. Namentlich soll auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung, beachtlich sein.[108] Für Ersteres ist indessen richtigerweise jedenfalls dann kein Raum (mehr), wenn andernfalls das Schmerzensgeld weder seine Ausgleichs- noch Genugtuungsfunktion erfüllen könnte.[109] Darüber hinaus bestehen aber auch grundsätzlich gegen die Berücksichtigung einer – freiwilligen oder Pflicht- – Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers durchgreifende Bedenken; und zwar weniger deshalb, weil das Bestehen einer solchen Versicherung aus Geschädigtensicht zufällig ist,[110] sondern schon im Ausgangspunkt, weil der Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrags den Schädiger zwar für den Fall eigener Haftung entlasten, aber keine Haftung begründen soll.[111] Ebenso wenig ist es von Rechts wegen zu rechtfertigen, dass das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zu einer – betragsmäßig verschärften – Haftung der Höhe nach führen soll.[112]
5. Schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen sind zusätzliche Belastungen des Geschädigten durch eine grundlose Verzögerung der Regulierung durch den Schädiger und/oder dessen Versicherung, namentlich, wenn trotz klarer Haftungslage keine (Vorschuss-/Abschlags-)Zahlung erfolgt[113] oder sonst unvertretbarem (vor-)prozessualem Verhalten des Schädigers und/oder dessen Versicherung, welches über die verständliche Rechtsverteidigung hinausgeht und von einem Geschädigten als herabwürdigend empfunden werden muss.[114] Dafür ist indes kein Raum bei Untätigkeit des Geschädigten[115] oder bei berechtigten Zweifeln an einer Einstandspflicht.[116] All dies gilt auch generell für die Berücksichtigung der "Art der Prozessführung des Pflichtversicherers".[117]
6. Da bei der Kompensation von Nichtvermögensschäden jeweils alle Gesichtspunkte des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, insbesondere etwa auch das jeweilige Verschulden und Mitverschulden, können – anders als beim Ersatz von materiellen Schäden – mehrere Schädiger zu unterschiedlich hohem Schmerzensgeld verurteilt werden.[118] Eine Gesamtabwägung bzw. "Gesamtschau" der Haftungsbeiträge findet nicht statt. Vielmehr ist die "billige Entschädigung" gegenüber jedem Schädiger gesondert zu bemessen.[119]
[99] Vgl. BG...

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